„Die Grünen wollen uns das Fleisch verbieten“ ereifert sich die BILD-Zeitung in ihrer gestrigen Ausgabe und bringt damit die Diskussion um den Vorschlag der Grünen zur Einführung eines bundesweiten Veggie-Day auf Stammtischniveau. „Müssen wir alle bald einmal pro Woche auf Würstchen, Schnitzel, Frikadellen in der Kantine verzichten?“ fragt Bild und fordert zur Abstimmung auf: Deutschlands schnellste Meinung – Was halten Sie von einem Veggie Day? Aktuell (06. August)haben 45.000 User abgestimmt. 75% davon meinen: Völlig überflüssig, jeder soll essen, was er mag. Nur 25 % voten für: „Gut Idee, zu viel Fleisch ist ungesund.“ Heute Morgen freut sich die BILD in einer neuen Schlagzeile über den gelungenen Coup: „Veggie-Day-Idee der Grünen löst Shitstorm aus“
Der Vorschlag der Grünen ist ein gefundenes Fressen für die Bild, mit dem sich zum einen wunderbar das Sommerloch stopfen und zum anderen trefflich gegen die Grünen polemisieren lässt. Ein Shitstorm ist es tatsächlich, den man damit ausgelöst hat, und er bewahrheitet wieder einmal die traurige Erkenntnis von Berthold Brecht: “Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“. Welch eine böse Entrüstung quillt aus all den Tweets und Kommentaren über den Vorschlag, unseren üppigen und wenig zeitgemäßen Fleischkonsum ein bisschen einzuschränken – in einer Zeit, in der überall und permanent von nachhaltigem Konsum, Klimaschutz, ökologische Werte, Tierschutz und ähnlichem mehr die Rede ist. Bei genauerem Hinschauen wird allerdings deutlich: Ein Großteil der Empörung richtet sich weniger gegen den Fleischverzicht als gegen eine befürchtete Bevormundung, gegen ein „Verbot“, gegen den Zugriff auf die freie Wahl des Essens und Trinkens durch Poltik und Staat. Auch Bundesernährungsministerin Ilse Aigner nutzte die Vorlage und wandte sich postwendend gegen den Vorstoß der Grünen: “Wir halten generell wenig von Bevormundungen. Am Ende brauchen wir eine ausgewogene Ernährung. Da gehört Fleisch dazu”, sagte ein Ministeriumssprecher.
Dabei wollen die Grünen deutsche Arbeitnehmer nach der Bundestagswahl wirklich nicht dazu zwingen, einmal pro Woche Brokkoliauflauf und Karottensalat zu essen. Das wollen allenfalls einige Interpreten so verstehen, wie die Süddeutsche Zeitung meint. Dass der Vorschlag der Grünen in Richtung auf Verbote missverstanden wird, ist Medien wie der BILD zu verdanken, die den Vorschlag der Grünen bewusst falsch interpretieren. Ihnen geht es anscheinend nur darum , die an sich gute, aber naiv zum falschen Zeitpunkt im Wahlkampfgetümmel positionierte Idee zu diskreditieren. Renate Künast bemühte sich bereits gestern um Schadensbegrenzung, indem sie unmittelbar die Freiwilligkeit des Vorschlags betonte: “Es wird ja niemandem etwas verboten“. Das hört jetzt niemand. Es wird vom Shitstorm übertönt.
Klar, Essen, da geht’s ans “Eingemachte”. Sehr persönlich und individuell. Insofern nicht sehr geschickt von den Grünen, eine eigentlich interessante Idee und Anregung, wie eine “Bevormundung” aussehen zu lassen, die dann – nicht wirklich überraschend – Empörung hervorruft. Schade eigentlich, denn die Anregung einmal pro Woche über Fleischverzicht nachzudenken, wäre nun wahrlich keine Zumutung, sondern viel eher gesund sowohl für den Einzelnen, als auch for the planet.
stefan niggemeier hat das auch schon aufgedröselt: https://www.stefan-niggemeier.de/blog/veggie-day-wie-man-aus-alten-fleischabfaellen-der-bild-zeitung-nachrichten-macht/
ich finds eigentlich ziemlich müßig, sich über die bild aufzuregen – sie ist nunmal ne idiotenzeitung. aber manchmal erwischts mich dann doch dass ich mich ärger
Niggemeeiers Blogbeitrag ist eigentlich schon eine differenzierte Medienanalyse zum Thema, die man unbedingt lesen sollte. Das passt übrigens auch zu meinen Beitrag von gestern über Frühstück, Herzinfarkt und anderen Quatsch. Beim Thema Veggie-Day zeigt Niggi akribisch, wie die BILD das Thema zur Stimmungsmache nutzt.