Eine Studie der kalifornischen Stanford-Universität erhält viel Aufmerksamkeit in den Medien und sorgt Aufruhr in der Biobranche. Die breit angelegte Meta-Analysse, in deren Rahmen 237 Untersuchungen aus fünf Jahrzehnten ausgewertet wurden, widmet sich im Kern der Frage: „Ist Biokost gesünder als konventionelle Ware?“ – und kommt zu einem wenig überraschenden und eher ernüchternden Schluss: Demnach bestehen im gesundheitlichen Wert kaum Unterschiede zwischen biologisch und konventionell erzeugten Lebensmitteln.“ Dies betrifft vor allem den Gehalt an Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen, Fett und Eiweißstoffen.

Das überrascht wenig, weil man das schon seit 30 Jahren weiß. Ich erinnere mich an einen Artikel aus dem Sommer 1984, damals von mir veröffentlicht in der ZEIT, in dem ich über die Ergebnisse einer dreijährigen Vergleichsuntersuchung an Gemüse, Obst und Brot aus „modernem“ und „alternativem“ Warenangebot berichtete, die damals gerade vom Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA) veröffentlicht worden war: „Nach der Untersuchung von 720 Proben in 39 000 Einzeluntersuchungen auf Rückstände von 45 Pflanzenschutzmitteln, auf Cadmium, Quecksilber, Aflatoxin, polychlorierte Biphenyle (PCBs), Nitrate und auf 13 wertgebende Inhaltsstoffe stand für die LUFA-Leute fest: Zwischen den Lebensmitteln aus modernem und alternativem Angebot sind keine wesentlichen Qualitätsunterschiede nachweisbar: keine Unterschiede im Gehalt an Pflanzenschutzmittel-Rückständen, keine Unterschiede im Gehalt an Schadstoffen, keine Unterschiede im Gehalt an Nitrat und an wertgebenden Inhaltsstoffen, keine Unterschiede im Geruch und Geschmack. Die Schadstoffmengen seien so gering, wurde gefolgert, daß eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit ausgeschlossen werden könne.“

 

Das Neue an der Stanford-Studie beschränkt sich darauf, dass sie weltweit ähnliche Ergebnisse in über 200 ähnlichen Studie gefunden hat. Es wäre sicher nützlicher gewesen, die Mittel für all diese Studien gleich in die Forschung zur Verbesserung der Qualität von Bio-Produkten zu stecken. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundesverbandes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), gibt auf die Ergebnisse der Stanford-Studie die einzig richtige Antwort: Der wesentliche und für die Gesellschaft auch wichtigste Vorteil der ökologischen Landwirtschaft bestehe in der Schonung natürlicher Ressourcen wie Boden, Gewässer, Klima und Biodiversität sowie in einer artgerechten Tierhaltung. Wo Löwenstein dann doch noch die gesundheitliche Qualität der Bioprodukte zu verteidigen sucht, hört sich das doch eher nach PR-Geklingel an: „Gesündere Lebensmittel sind der kostenlose Zusatznutzen dieser Leistungen“. Gerade das bezweifelt ja die Studie. Löwensteins Meinung nach  sind Bio-Lebensmittel  auch deswegen besser, weil sie im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln eine drastisch geringere Belastung mit Pestiziden und Arzneimittelrückständen aufweisen. Von „drastisch geringerer Belastung“ zu reden, scheint bei näherem Hinschauen jedoch ziemlich übertrieben. „In 7 % der Bio-Proben waren Rückstände nachweisbar, bei den konventionellen waren es 38 %. Anders als die Zahlen vermuten lassen, habe dies jedoch keine Auswirkungen auf die Gesundheit. Alles lag unterhalb der Grenzwerte.“schreibt das Branchenfachblatt „Top-Agrar“.

Für den Potsdamer Epidemiologen Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung ist nach einem Bericht der taz die Fragestellung eigentlich eine ganz andere: „Nicht die Herstellungsmethode, sondern die Auswahl der Lebensmittel spielt gesundheitlich die entscheidende Rolle – esse ich viel Gemüse, Vollkorn, Ballaststoffe, habe ich einen moderaten Fleischkonsum?“ Das seien die wirklich wichtigen Fragen. Boeing selbst ist allerdings ebenfalls Biofreund, weil er „den gesellschaftlichen Nutzen“ der ökologischen Landwirtschaft sieht. Wohl bekomm’s!