Nun ist er vorbei, der Deutsche Verbrauchertag – und weil ich nicht dort war, habe ich gestern doch etwas verpasst: den großen Stolz und die große Freude der Landfrauen über einen unverhofften Preis. Der Deutsche LandFrauenverband e.V. (dlv) wurde von der (im Jahr 2010 gegründeten) Deutschen Stiftung Verbraucherschutz mit dem Bundespreis Verbraucherschutz für hervorragendes gesellschaftliches Engagement geehrt. „Über 165.000 Schülerinnen und Schüler besitzen dank des dlv den aid-Ernährungsführerschein.“ verkünden die Landfrauen heute freudig in ihrer aktuellen Pressemeldung. „Mit dem Preis der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz erreichen wir eine neue Stufe der gesellschaftlichen Anerkennung. Das ist für unsere LandFrauen ein wichtiges Zeichen.“ fügt Brigitte Scherb, Präsidentin des dlv, hinzu.
Schmückt sich da jemand mit fremden Federn? Dem Verband der Oecotrophologen (VDOE) hätte ein mindestens gleichberechtiger Anteil des Preises gebührt. „Viele OecotrophologInnen haben an der Erfolgsgeschichte mitgewirkt: Konzeption, Text und Redaktion des Materials tragen die Handschrift von Ernährungs- und HaushaltswissenschaftlerInnen. Dass die Qualität des Konzeptes und des Materials Lehrerinnen und Lehrer überzeugt, zeigen Evaluationsergebnisse und zahlreiche persönliche Rückmeldungen, aus denen eine große Wertschätzung für das zielgruppengerechte, klar strukturierte und organisatorisch gut umsetzbare Material deutlich wird. Im laufenden Projekt sind OecotrophologInnen als Projektleitung, ProjektmitarbeiterInnen und externe ReferentInnen für die qualitätsgesicherte Umsetzung der begleitenden Maßnahmen verantwortlich. Auch einige der vom aid fortgebildeten Landfrauen bzw. Klasse2000-Fachkräfte sind OecotrophologInnen.“ So heißt es in einem kürzlich erschienenen Artikel des aid in der aktuellen Ausgabe der Mitgliederzeitschrift der Oecotrophologen – der VDOE-POSITION.
Letzlich könnte man aber auch auf die verwegene Idee kommen, dass der Preis noch vor den OecotrophologInnen und Landfrauen vielleicht dem aid selbst gebührt. Denn die Idee des Ernährungsführerschein wurde im aid infodienst
Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. (so die vollständige Bezeichnung) geboren, und die Konzeption für Ausführung und Umsetzung wurde von niemand anderem als den Mitarbeitern des aid gemacht. Sollte sich dort nun jemand ärgern, muss er vermutlich schön stille sein. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht: Der aid wird vorwiegend aus Mitteln des Aigner-Ministeriums finanziert – genauso wie der Einsatz der Landfrauen im Projekt Ernährungsführerschein, für das im Rahmen des nationalen Aktionsplans IN FORM Gelder bereitgestellt wurden.
Und was hat diese Finanzierung nun mit dem Verbraucherpreis zu tun? Darüber sagt das Bild aus dem Anhang der Landfrauen-Pressemeldung vielleicht mehr als viele Worte. Es sagt uns: Nicht der (linksaußen stehende) Vorstand der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz überreicht den Preis, sondern die Ministerin Aigner. Mit Brigitte Scherb, die den Preis auf dem Foto entgegen nimmt, freuen sich nun ca. vier Millionen Landfrauen über diese unerwartete gesellschaftliche Aufwertung. Kein Blatt der Bauernpresse, das dieses Foto nicht auf den Seiten für die Landfrau drucken wird.
Was für ein wohlfeiles kleines Wahlgeschenk! Glückwunsch, Frau Aigner, zu dem Stiftungspreis, dessen Übergabe Sie nun nicht mehr gekostet hat als ein strahlendes Lächeln auf der Bühne. Die Landfrauen werden es Ihnen danken – bestenfalls mit einem Kreuzchen bei der Wahl.
Dem aid geht es übrigens vermutlich weder um die Förderung der Landfrauen noch um die der Oecotrophologen, sondern um die flächendeckende Weiterführung der Ernährungsbildung – und genau diesem Grundgedanken hätte eigentlich der Preis gebührt. „Letztlich soll aber auch die Unterstützung durch externe Fachkräfte zum eigentlichen Ziel dieses Unterrichtskonzeptes führen, dass es von Lehrkräften im Regelunterricht der Grundschule umgesetzt wird.“ heißt es weiter in dem oben zitierten Artikel. „Qualifizierte, externe Fachkräfte und auch die Lehrerfortbildungen helfen dabei, Lehrerinnen und Lehrern mehr Sicherheit im Umgang mit dem Material und bei der Durchführung zu geben. .. Weil die Professionalisierung von Lehrkräften ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Ernährungsbildung an Schulen ist, ist außerdem eine Verstetigung der Lehrerfortbildungen durch Multiplikatorschulungen in allen 16 Bundesländern geplant.“
Ansonsten haben die Fluten im Süden und Osten den Verbrauchertag wohl weitgehend aus den Medien gespült, wie die recht überschaubare Trefferzahl von Google-News zum Stichwort “Verbrauchertag” vermuten lässt. Größere Aufmerksamkeit wurde allenfalls Frau Merkels kleinem Geniestreich geschenkt, der SPD für die Idee der Mietpreisbremse zu danken und selbige mal eben schnell ins CDU-Wahlprogramm zu integrieren. So haben die Powerfrauen der CDU/CSU der Konkurrenz auf dem Verbrauchertag mal wieder gezeigt, wie man den Wahlkampf schaukelt.
Manchmal hilft es doch, wenn man bei der Veranstaltung, über die man berichtet, dabei ist. Die Stiftung Verbraucherschutz hat ein Projekt und zwei Persönlichkeiten ausgezeichnet. Die Entscheidung hat eine Jury getroffen – nicht Frau Aigner. Politische Erwägungen spielten überhaupt keine Rolle. Die Auszeichnung an die Landfrauen soll nicht die Verdienste des AID schmälern. Für den Preis spricht jedoch, dass sich die Landfrauen hier mit viel Kompetenz und Engagement einsetzen. Dem gilt die Anerkennung. Es ist völlig klar, dass ein solches Projekt nicht Verbraucherbildung durch die Lehrer ersetzt, wie wir sie fordern. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Wenn dem so war, dann hat Frau Aigner Glück gehabt und die Gunst der Stunde für sich genutzt. Das sei ihr dann vergönnt! Die Entscheidung der Jury war allerdings trotzdem mehr als unglücklich: In einer Zeit der Geringschätzung hauswirtschaftlicher Fähigkeiten und Dienstleistungen leiden die gut ausgebildeten LandFrauen schon lange an einem Defizit an Anerkennung (..auch die Formulierungen in der Pressemeldung des dlv zur Preisverleihung weisen genau darauf hin). Als die Idee des Ernährungsführerscheins geboren war und der Einsatz der LandFrauen zur Diskussion stand, waren sie geradezu versessen auf diesen Job – war es doch endlich einmal eine Möglichkeit, zu zeigen, was man alles kann und dass man mit diesen Fähigkeiten über Herd und Hof hinaus gesellschaftlich nützlich ist. Um das zu beweisen, haben sie sich sogar weit unter Wert verkauft – wenn ich mit recht erinnere zu Honoraren, die an Selbstausbeutung grenzen. Das war schließlich auch einer der Hauptgründe, warum Oecotrophologen nicht zum Zuge kamen: Die wollten als akademische Fachkräfte für so kleines Geld nicht arbeiten. So war und ist der Einsatz der LandFrauen im Rahmen des Ernährungsführerschein in erster Linie dem Kampf der Zielgruppe um die – in jedem Fall berechtigte – größere gesellschaftliche Anerkennung geschuldet – und erst in zweiter Linie der guten Tat für die Verbraucher bzw. in diesem Fall für die Kinder. Im Grunde müssten die LandFrauen über diesen Preis zutiefst beleidigt sein. Denn es ist eigentlich allenfalls ein Trostpreis. Sie hätten mehr verdient (was sie alles leisten und können, lässt sich hier nachlesen: https://www.landfrauen.info/home.html ). Genau aus diesem Grund ist die Entscheidung der Jury eine Fehlentscheidung.
Im Übrigen stimmen für mein Verständnis die Relationen nicht: Verliehen wurde der Preis dem dlv als Ganzem. Bei ca. einer halben Million Mitglieder wurden gerade einmal 177 LandFrauen im Rahmen des aid-Ernährungsführerschein fortgebildet und eingesetzt. Das passt nicht gut zusammen.