Derzeit kursieren unter Ernährungsfachkräften die heftigsten Phantasien über neue Möglichkeiten, Ernährungsverhalten über Social Media zu beinflussen und zu verändern. Geschürt werden diese Illusionen vor allem von einigen Netzaktivist*innen und einer Handvoll Institutionen aus Bereich der Ernährungskommunikation, unterstützt von einigen Wissenschaftlern aus dem Bereich der Ernährungsberatung und -kommunikation, die allerdings mehrheitlich in Social Media selbst noch den ersten Post zu verfassen hätten. All diesen dürfte ein Beitrag in ‘orange’ – den jungen Seiten des Handelsblatts – einen Dämpfer versetzen.
#nena, eine der jungen Autorinnen der Seite (Nachnamen gibt es bei orange nicht) hat schon viele Influencer getroffen und über sie geschrieben. In ihrem Beitrag „Warum mich die Influencer-Welt anekelt“ redet sie Klartext über die neuen Pseudoidole, die sie zunächst selbst verehrt und bewundert hat. Inzwischen hat sie für viele darunter nur noch Verachtung: „Die lassen mich einfach nur an meiner Generation zweifeln“. Ihr Beitrag sollte übrigens ursprünglich eine Rezension von „You Deserve This“ – dem Kochbuch der Influencerin Pamela Reif – werden, das „einfache & natürliche Rezepte für einen gesunden Lebensstil“ verspricht und derzeit auf Platz eins der meistverkauften Bücher bei Amazon steht. Die Lektüre des Buches macht #nena fassungslos: „Was befähigt die Influencerin, ein Kochbuch herauszugeben? Und warum kauft das überhaupt jemand? Die 22-Jährige ist weder Ernährungsberaterin noch Köchin. Das soziale Netzwerk Instagram befähigt sie. Genauer gesagt: ihre 4,2 Millionen Follower, die sich mehr für schöne Bilder als für Inhalte interessieren.“
Was folgt, ist eine schonungslose Abrechnung mit der Scheinwelt narzistischer Gestalten, Influencer genannt, deren höchstes und einziges Ziel nach #nena die Selbstverherrlichung ist. Bei aller Härte wirkt die Analyse authentisch: #nena weiß, über wen sie schreibt – etliche davon kennt sie persönlich. In ihrem vernichtenden Urteil fallen dann solche Sätze: „Mir kommt die Instagram-Welt seit Längerem wie eine gigantische Blase vor. Ein wenig wie das Märchen Des Kaisers neue Kleider“. Ihre Begegnungen mit Influencern beschreibt sie als „teilweise schlimm“. Ein Beispiel: „Gackernde Mädchen im pinken Bus, aufgerissene Goodie Bags und offene Champagner-Flaschen. Ohne dazugehörige Gläser, versteht sich. Was auf den Bildern im Internet hübsch aussah, war in der Realität eine Farce.“ Und schließlich resümiert sie: „Das Ganze ist ein Geschäft. Die Währung: Follower. Eine Rezension über Pamelas Kochbuch werde ich übrigens nicht machen. Das sollen andere tun.“ Das hat wohl auch mit den Fotos zu tun, die Pamela in ihrem Instagram-Auftritt von sich postet und die #nena kritisch kommentiert: „Die Karlsruherin könnte ein Vorbild für jüngere Mädchen sein, wären da nicht ihre sexy Aufnahmen. Man mag es für einen feministischen Akt halten, halbnackt und lasziv im Internet zu posieren. Oder man nennt die Sache beim Namen: Es sind Erotik-Fotos. Nicht anders als Fotos in Männermagazinen wie dem Playboy.“
Liebe #nena, vielen Dank für diesen Beitrag und den schonungslosen Blick hinter die Kulissen einer Szene, in der hinter dem schönen Schein ganz oft nur Leere ist. Das mag sich für die Bewerbung von Mode, Kosmetik, Luxusartikeln nutzen lassen. Alle, die sich Illusionen über mögliche pädagogische oder inhaltliche Möglichkeiten der Kooperation mit Influencern machen, liegen komplett daneben (mag sein, dass Ausnahmen die Regel bestätigen – es werden Ausnahmen bleiben). Sie alle sollten Deinen Artikel unbedingt in voller Länge lesen – und danach jedwede Phantastereien ad acta legen.
Lieber Friedel,
liebe Kolleg*innen,
Danke, dass du mich an mein Jubiläum des nahenden 15000. Tweets erinnert hast, und in der Tat ist es dann letzten Freitag auch endlich soweit gewesen: -)
15000 Follower wären natürlich auch ein Grund zu feiern. Doch bis dahin muss ich wohl noch was wachsen und gedeihen!
Ich finde jedoch natürlich gewachse Socialmediaaccounts alle mal mehr authentischer und sinnvoller als hochgepushte Friends- und Followerzahlen über Werbung, sexy Bilder und andere Tricks.
Natürlich sind meine 2000 Follower nur sehr wenig gegenüber 4 Mio. bei Influencern. Aber ich verkaufe auch keine Bücher, habe keine Diät-CD, verkaufe keine Videokurse, kein Merchandising, etc. Wieso sollte ich Geld in Werbung auf den jeweiligen Plattformen stecken? Werbung in eigenen Medien: ja gerne!
Ich finde das die Anzahl der aktiven SoMe-Kolleg*innen wächst und die Kollegialität unter uns auch. Wir liken mehr, retweeten und kommentieren – dass darf sicherlichnoch mehr werden.
Ich finde auf den Ernährungstagungen von BZfE und DGE ist der Austausch unter den Fachkollegen über einheitliche Hashtags wie #bzfe17, #erna18 und sicher auch beider kommenden #berta19 schon sehr gut. Im Vergleich zur Diabetestagung 2019 in Berlin habe ich kaum Meldungen verfolgen können, sehr schade! Die niedergelassenen Mediziner scheinen nicht sehr SoMe-aktiv zu sein. Im Gesundheitsbereich kann sicherlich noch viel getan werden.
Übrigens eine schöne Anleitung für SoMe für Oecotrophologen hat die Kollegin Gabriele Freitag-Ziegler fürs BZfE geschrieben unter:
https://www.bzfe.de/inhalt/ernaehrungswissenschaftler-auf-social-media-33392.html
Und natürlich beherrschst du, lieber Friedel, dein Handwerk auch perfekt. Es ist ja nicht da erste mal, dass du die Ernährungsberater und Oecotrophologen scheltest. Und vielleicht entwickelt sich ja wieder ein Aufschrei unter #diewirklichenernährungsexperten
Ich freue mich auf viele aktive Kolleg*innen in SoMe, damit wir mehr Gehör finden! Sicherlich auch ein interessantes Fortbildungs- oder Workshopthema für alle! Vielleicht auch mal in neuen Online-Angebotsformen.
Einen erholsamen Sonntagsausklang!
Christof
Tja, niemand hat gesagt, dass das Leben fair ist….
Pamela Reif macht Pin up Fotos. Recht hübsche übrigens 😉 Dass Millionen von Menschen auf so etwas deutlich schneller anspringen als auf Bilder von Obst und Gemüse , dürfte kein Geheimnis sein. Wenn die gute Pam ein Buch mit dem Titel „Meine besten Steuertipps“ oder „Giraffenzucht leicht gemacht“ schreiben würde, würde es ebenfalls jeder Verlag mit Handkuss nehmen. Die wären ja auch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie eine „Autorin“, die schon mal 4 Millionen Buchkäufer mitbringt, ablehnen würden.
Da können wir Fachkräfte so neidisch sein, wie wir wollen, wir werden es (die rein wirtschaftlichen Erwägungen der Verlage) nicht ändern. Es sei denn wir pushen unsere Accounts ebenfalls mit Pin up-Fotos. Freiwillige vor ;-)))) (nicht ernst gemeint)
Danke für den schlauen Kommentar. Es geht bei dem Thema ja nicht ums neidisch werden. Kernfrage des Beitrags ist ja: Eignen sich Pamela & Co. für Kooperationen – z.B. auch mit starken Insitutionen in unserem Bereich. Eine Frage, die z.B. auf dem BZfE-Forum im vergangenen Jahr intensivst diskutiert wurde, wobei mir wirklich sehr viele Illusionen im Spiel gewesen zu sein schienen. Zudem sollte der Beitrag Überlegungen von Nano-Influencern aus unserem Bereich zu neuen Social Media- Strategien anregen. Du und Anja Tanas z.B. – Ihr seid für mich leuchtende Beispiele für eine top-Präsenz auf Instagram, und wisst beide, wie beschwerlich der Weg dort nach oben ist. Wir leben ja nicht im luftleeren Raum. Das muss sich ja auch alles rechnen. Und Professionalität in Social Media ist alles ander als umsonst. (Auch die Inlfuencer bezahlen für das, was sie dort verdienen – wenn auch nicht nur und immer mit Geld).Zudem gestehe ich gerne und nochmals, dass ich a) absolut nicht für den Rückzug unserer Kolleg*innen aus Social Media plädiere und b) selbst keine Patenlösung vorschlagen kan. Schönen Sonntag noch, liebe Alexa 🙂
Lieber Friedel, liebe Mitdiskutantinnen,
ganz klar; hier müssen wir Oecotrophologen/Ernährungswissenschaftler und auch alle anderen „Ernährungsfachkräfte“, Diätassistenten und Ernährungsmediziner aktiver werden! Darüber zu meckern, dass andere die neuen Medien für sich nutzen, bringt uns da leider nicht weiter.
Los geht‘s!
Wenn ich lese, dass ich 10.000 -100.000 Follower haben muss um mich Mico-Influencer nenne zu dürfen, dann darf ich wahrscheinlich erst einmal nur noch vor dem PC sitzen und muss ständig das Smartphone parat haben um entsprechende Fotos zu erstellen, wobei diese dann ja auch noch bearbeitet werden müssen… Das ist aber nicht mein Alltagsgeschäft. Ich möchte mit meinem Tun jetzt Geld verdienen und das funktioniert bei meinen Followern als Nano-Influencer (Dankefür den Begriff, Friedel) leider nicht. Ist auch nicht mein Ehrgeiz.
Lieber Friedel,
der Begriff Micro-Influencer*in wird nach meiner Kenntnis für Leute mit 10.000 bis 100.000 Follower benutzt. Das bedeutet keinesfalls absolute Bedeutungslosigkeit, sondern oft eine themenaffine und engagierte Fangemeinde. Meiner Ansicht nach müsste man sich geeignete Influencer*innen sorgfältig aussuchen und mit ihnen kooperieren. Manche wären vielleicht ganz dankbar für fachliche Expertise. Vielleicht schaffen es auch einige Ernährungsfachkräfte selbst zu solchen Micro-Influencer*innen zu werden. Das geht allerdings nicht mal eben nebenbei, sondern erfordert richtig viel Einsatz. Von daher sehe ich uns eher in einer fachlich beratenden Rolle, die passende Influencer*innen als Sprachrohr nutzt. Denn es gibt unter den Influencer*innen zum Glück nicht nur gackernde Girls in pinken Bussen, die Champgner aus Flaschen saufen.
Liebe Corinna,
danke für die Vertiefung, die meines Erachtens das Problem aber noch gravierender erscheinen lässt. Wenn man ab 10.000 Followern Micro-Influencer ist, was sind dann wir und unsere Kollegen auf Social Media? Gibt’s dafür überhaupt einen Begriff? Wie wär’s mit Nano-Influencer – klingt doch super? Kennst Du irgendjemanden aus unserem Umfeld – ganz gleich ob Einzelperson (Beratungskraft, Journalist*in etc.) oder Institution – mit 10.000 oder mehr Followern ? Nehmen wir unseren Premium-Twitterer Christof Meinhold. 10 Jahre bei Twitter, gerade heute 15.000 Tweets erreicht (herzlichen Glückwunsch, lieber Cristof) – und immer in Top-Qualität: informativ, innovativ, verständlich, oft auch witzig und unterhaltsam. Nach all der Mühe und Zeit folgen ihm auf Twitter gerade mal gut 2000 User. Das ist deprimierend. Das starke BZfE mit seinem Twitter-Account „Was wir essen“ schneidet nicht viel besser ab. Einzige Ausnahme, die ich kenne: Foodwatch. Aber sind die wirklich unsere Verbündeten?
All die Einzelkämpfer in der Ernährungsberatung, die sich in Social Media bewegen, kämpfen um ein paar hundert Follower und werden – was noch enttäuschender ist – von den ‘tollen’ Followern meist mit gerade mal einer Handvoll Likes und gelegentlich mal ein bis zwei Tetweets abgespeist. Jeder wirkliche Social Media-Experte kann in zwei Minuten erklären, warum diese Art, Social Media zu bedienen, als berufliche Maßnahme ineffizient und Zeitverschwendung ist. Damit man mich nicht falsch versteht: Ich würde mir das wirklich anders wünschen. Aber so wie das derzeit läuft, funktioniert es einfach nicht. Statt die paar jämmerlichen Likes und Followerzahlen zu beweihräuchern, die unsere Leute /Institutionen derzeit ergattern, sollte man sich zusammensetzen und strategische Gedanken machen – vielleicht unter der Leitung unserer Verbände, die es bitter nötig hätten, sich hier zu engagieren, da sie im Pflichtfach digitale Kommunikation immer noch auf Vorschulniveau stehen.
Und übrigens: Wenn Du die erste Influencer fachlich soweit beraten hast, dass sie als Sprachrohr zu gebrauchen sind, gebe ich Dir auf all meinen Accounts jeden Platz der Welt, um diese Erfolgsstory für unsere Kolleg*innen nutzbringend zu kommunizieren. Ich fürchte allerdings, dass es bis dahin noch dauern wird 🙂 . Und übrigens. Jeder, der Social Media mit leichter Hand und Freude, mit Leidenschaft und Spaß an der Sache (..oder z.B. am Fotografieren) bedient, soll dabei bleiben (also, lieber Cristof: bitte weitermachen 🙂 ) – darum bin ich z.B. mit zwei Accounts bei Instagram dabei. Es geht darum, ob die derzeitigen Aktivitäten der Vielen etwas für das gemeinsame Ziel einer Verbesserung der Ernährungskomunikation und Verhaltensänderung im Sinne der Ernährungsberatung bringen. Das muss muss man meines Erachtens eindeutig verneinen.
Lieber Friedel,
das sind nur kleine Aspekte, aber ich fände es eher kontraproduktiv auf Instagram und Co. gar nicht stattzufinden. Und schließlich birgt das crossmediale Posten unserer Inhalte auch die Chance, Internetuser zu erreichen, mit denen wir sonst nicht in Berührung kämen…
Nichts ist so seicht und schnelllebig wie Instagram. Ich teste es gerade und wundere mich, wenn ich mal ein Schälchen mit Radieschen poste, wer mir da auf einmal folgt oder wer mir dann nicht mehr folgt.
Und wenn ich dann lese wir sollen in unserem Bereich als Micro-Influencer agieren (Quelle habe ich gerade nicht mehr parat) mein Gedanke:”Kleiner geht es dann nicht mehr.”
Ich agiere in den sozialen Netzwerken so, wie ich mich fühle und punkten können wir mit Authentizität. Und wer das nicht versteht und lieber diesen selbsternannten Influencern folgen möchte, der soll das tun. Speziell Instagram ist eine Scheinwelt. Irgendwann wird auch diese Blase platzen und dann steht die nächste Social-media-Plattform in den Startlöchern. Aber meine Arbeitszeit nur in diese Plattformen stecken-nein, das will ich nicht.Dann überzeuge ich lieber mit guter Arbeit, auch wenn das vielleicht old-school ist. 😉
Liebe Susanne, schön, dass Du das Thema aufgreifst – und Du sprichst mir aus der Seele: Nichts scheint mir absurder als der Begriff “Micro-Influencer”. Ein misslungener Euphemismus für die komplette Bedeutungslosigkeit, einfach lächerlich.
Lieber Friedel,
was du schreibst, lässt mich etwas ratlos und frustriert zurück und ich frage mich, welchen Weg “wir echten Experten” denn dann gehen sollen? Natürlich kommen wir nicht gegen Influencer mit 4,2 Millionen Followern an. Aber ich hoffe, dass diese ganze Blase irgendwann in sich zusammenfällt und sich neue Wege eröffnen – auch über Social Media – mit unseren Botschaften unsere Zielgruppen zu erreichen. Und bis dahin macht vielleicht auch Kleinvieh Mist, will sagen, finden wir gemeinsam mit unseren Accounts und Profilen Gehör und die berühmte Sichtbarkeit im Netz. Das ist jedenfalls meine Idee und mein Antrieb bei meinen Aktivitäten auf Social Media und mit meinem Blog bzw. für meine Kunden.
Hoffnungsvolle Grüße von Gabi