Salz bleibt Salz – auch wenn das eine mehr als hundertmal mehr kostet als das andere. Fleur de Sel aus Ibiza, rosa Kristalle vom Himalaya, Blausalz aus dem Iran – teure Speisesalze werben oft mit wundersamen Versprechen. Doch zu stolzen Preisen bis zu 6,65 Euro pro 100 Gramm bieten viele nicht mehr als einfaches Haushaltssalz, das bei gleicher Menge nur 4 Cent kostet. Einige Exoten fallen sogar mit der Note „Mangelhaft“ durch. Zu diesem Ergebnis kommt die Stiftung Warentest in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift test, für die man 36 Speisesalze geprüft hat.
Dass sich die überteuerten Kristalle des Fleur de Sel und anderer Spezialsalze nach wie vor noch blendend verkaufen lassen, ist auch der blühenden Phantasie der Hersteller zu verdanken. Sprüche wie „Wahrer Jungbrunnen“, „Absolut naturrein“ oder „Mystik des Kulturkreises“ (Ayurvedisches Zaubersalz von Sonnentor) sollen dem Umsatz auf die Sprünge helfen. Die Stiftung entlarvt damit allerdings keinen goßen Skandal. Wer fünf bis sechs Euro für 100g Salz ausgibt, dem dürfte der Preis in der Regel egal sein. Feinschmeckern und solchen, die sich dafür halten, ist das billige Streusalz aus dem Karton zu profan – und igitt, das könnte ja nach feuchter Pappe schmecken. Da darf es ruhig schon etwas teurer sein – und das elegante Döschen mit dem Aufdruck „Sal de Ibiza“ zeugt doch schon eher von echter Esskultur. So geht der Trend in feineren Kreisen in jedem Fall zum Zweitsalz: Wer was auf sich hält, hat immer ein Gourmetsalz parat – wie es ja auch die Sterneköche empfehlen. Tim Raue beispielsweise – zitiert nach dem test-Bericht – hat über Fleur de Sel nur Gutes zu berichten: „Die feinen Kristalle sind deutlich milder als herkömmliches Salz und werden am Ende des Garvorgangs zugegeben.“ Da machen wir doch demnächst glatt mal den großen Nudelwasser-Test! Na dann mal wohl bekomm’s!
Lieber Friedel, gerade das Bad Reichenhaller ist doch ein gutes Beispiel für ein Industrieprodukt. Es benötigt etliche Arbeitsprozesse, bis das Salz in der Pappschachtel ist. Erst wird die Sole “enthärtet”, um später wieder Mineralien zuzugeben. Dazu kommen noch Jod, Fluor, Folsäure und Rieselhilfen, die in dem Beitrag übrigens nicht erwähnt werden. Hier noch von einem Naturprodukt zu sprechen, ist im besten Falle optimistisch. Meersalz wird lediglich getrocknet, wie auch das Fleur de Sel, und kommt ohne Zusätze in den Handel. Das ist ein Naturprodukt! Genau so, wie das Steinsalz, das abgebaut und lediglich in dem benötigten Mahlgrad vermahlen wird.
Rieling? Nun ja, nicht gerade mein Lieblingswein. Ich mag die Petrolnoten nicht. Aber um das zu testen, benötige ich auch keine 10%ige Salzlösung. Eine Tomate reicht. Teste mal das Bad Reichenhaller auf einer Tomatenscheibe, gegenüber einer Tomatenscheibe mit gemahlenem Fleur de Sel, einer mit Steinsalz (z.B. von der Salt Range im Punjap-Gebirge, früher Himalayasalz genannt). Oder mach es wie Claudio. Das ist allerdings die “härtere” Variante: https://www.anonymekoeche.net/?p=273
Liebe Grüße
Mike
Sorry, mein lieber Friedel, das kann ich so nicht stehen lassen. Es geht nicht so sehr um den Preis, sondern um den Genuss. Und der ist (auch von Dir) testbar. Stiftung Warentest hat z.B. die chemische Qualität von Sal de Ibiza als gut bewertet, nur die Deklaration als mangelhaft. Einfaches Siedesalz für ein paar Cent aus dem Supermarkt und Fleur de Sel trennen geschmacklich Welten. Und dass teilweise in aufwändiger Handarbeit geerntetes Fleur teurer ist als ein Industrieprodukt sollte einleuchten. Ich empfehle Dir dazu mal meinen Artikel mit Bildern von der Ernte: https://www.olivenoelkontor.de/wissenswertes/geschichten/113/das-salz-in-der-erzaehlsuppe-oder-ein-hoch-auf-den-geschmack?c=2179
Dass es schwarze Schafe in dem Salzgeschäft gibt, ist klar, aber auf gutes Fleur de Sel möchte ich nicht verzichten. Und dass Stiftung Warentest schon des Öfteren daneben gelegen hat, ist ja wohl auch bekannt.
Herzliche Grüße
Mike
Lieber Mike, als alter Kulinariker mag ich auf Fleur de Sel selbst nicht verzichten. Ich meine allerdings: Geschmacklich lässt sich ein Fleur de Sel vom Haushaltssalz kaum unterscheiden. Es ist weniger der Geschmack als die Konsistenz des Fleur de Sel, was den Unterschied macht: Die kleine salzige Explosion, wenn Du das große Kristall zerbeißt, und der Salzgeschmack, der sich dann plötzlich über dem Geschmack eines zarten Steaks entfaltet – wie eine kleine Explosion, um dann auch gleich mit dem Bissen wieder zu verschwinden. Das macht den Unterschied. Gerne lade ich Dich zu einem sensorischen Test ein: Ich präpariere 10%ige wässrige Lösungen von 10 Haushaltssalzen und 10 Varianten von Fleur de Sel. Ich wette um eine Kiste guten Riesling, dass Du die nicht unterscheiden kannst! Den zusätzlichen Mineralstoffgehalt von Fleur de Sel kannst Du übrigens getrost vergessen. Der trägt bei 10 bis 12 g Salzkonsum pro Tag nun wirklich nicht messbar zu unserer Versorgung bei.
Im übrigen bin ich davon überzeugt, dass Fleur de Sel auf Grund der großen Kristalle dazu verleitet, insgesamt mehr Salz zu verwenden, als der Gesundheit förderlich ist – zumindest bei all denen, die zu den „Salzsensitiven“ gehören. Die aufwändige „Ernte“ des Alisseos, wie man sie in Deinem Blogbeitrag nachvollziehen kann, ist allerdings eher ungewöhnlich. Und die Gewinnung von Meersalz in großen Salinen unterscheidet sich im Maßstab kaum noch von der Größe einer Anlage zur Gewinnung eines guten Haushaltsalzes. Das als „Industrieprodukt“ zu bezeichnen – etwa im Falle eines „Bad Reichenhaller Salz“ finde ich dann doch ziemlich übertrieben. Industrieprodukt hört sich an, als käme dieses Salz aus der chemischen Synthese. Dabei ist auch Haushaltssalz nichts anderes als ein Restprodukt eines längst verschwundenen Meeres, und kommt im Falle des Bad Reichenhaller als Natursole aus den Tiefen der Berge, also in seiner Rohform ein reines Naturprodukt, wie man hier z.B. sehr anschaulich betrachten kann: https://www.bad-reichenhaller.de/de/salzwissen/film-wie-kommt-das-salz-in-das-paket.html
Der Gourmet kauft eben kein profanes Salz, sondern den Geschmack und die Würze der großen weiten Welt. Ein mit Himalaya Salz dekoriertes Steak schmeckt doch schon gleich viel mehr nach großem Abenteuer und Weltreise, als selbiges mit Bad Reichenhaller bestreut. Und es sagt natürlich eine ganze Menge über den kosmopolitischen Koch oder Gastgeber aus.
Ganz gleich ob Wasser, Tee oder nun auch Salz – mit wohlklingender Provenienz und dem dadurch erreichten Image Uplift, lässt sich eben gutes Geld verdienen.