Oder: wie das Eis seinen Charme verlor
Mit Genuss schlürfe ich einen Eiskaffe, blättere entspannt auf der Sonnenliege in alten Zeitungen. Da bleibt mir vor Schauder das leckere Eis im Halse stecken. Anlass ist die aktuelle Schmähung des professionellen Appetitverderbers und Taz-Autors Till Ehrlich. Der hat sich – passend zur Hitzewelle – das Speiseeis für seinen jüngsten Verriss ausgesucht:
“Gefrorenes lässt sich zwar verspeisen, aber man kann es nicht ernsthaft als eine Speise bezeichnen. Die Bestandteile eines industriell hergestellten Eises sind in der Regel so dürftig, das man sie sich bei Zimmertemperatur nich freiwillig einverleiben wollte. In geschmolzenem Zustand ist es eine gefärbte, zuckrige, aromatiserte, wässrige oder fettige Chemiesoße, die schnell Ekel hervorruft.“
Ich lerne: Eis ist eklig – und außerdem sind Leute, die Eis mögen, doof: „Das Lecken und Schlecken von knallbuntem Eisbrei scheint primär orale und kindliche Bedürfnisse zu befriedigen.“ Als Alternative empfiehlt Herr Ehrlich Sorbets und Parfaits, was ja gar nicht so verkehrt ist. Nur den Schlusssatz hätte er besser im ewigen Eis gelassen: „Dabei hat etwa ein Erdbeerparfait den zeitlosen Charme, dass es am besten schmeckt, wenn man es selbst macht.“ Was hat der gute Mann denn in diesem Satz alles verwurschtelt? Der hat bei den Recherchen wohl zu viel fettige Chemiesoße verkostet und der knallbunte Eisbrei ist ihm zu Kopf gestiegen. Beim Forschen nach dem Satz-Sinn stellen sich mir doch glatt die Charme-Haare zu Berge.
Ich lerne aus der Geschichte: Ist das Eis in meinem Eiskaffee erst einmal geschmolzen, hat es jeden Charme verloren und mutiert zur ekligen Chemiesoße. Da ist doch die einzig sinnvolle Konsequenz: Möglichst schnell runter damit. Aaaah – lecker, lecker, lecker!
(Leider kommt man an die Artikel des TAZ-Archivs nur noch gegen Bezahlung ran. Dort findet man die Geschichte in der Ausgabe vom 26./27. Juni unter dem Titel „Schnee im Mund“)