Sarah Wiener im Interview mit der Sonntaz ( Interviewtext leider nur in Print und im Pay-Bereich):
Ich versuche mit meiner Stiftung, Kindern das Kochen beizubringen. Nur wer kochen kann, wird die Kontrolle über seinen eigenen Körper haben und kann überhaupt beurteilen, was er isst. Wenn Du keine Kontrolle über Deinen Körper hast, worüber willst Du sonst Kontrolle haben? Wenn Du Dir nicht bewust bist, was Du Dir ins Intimste Deines Inneren hineinsteckst, wie willst Du dann jemals bitte ein kritischer Mitbürger sein?
Recht hat sie. Ich geh dann mal was kochen!
Vive la France. Die französische Mutter hat da (meistens) weniger Probleme. Wenn am Tisch nicht gegessen wird, gibt es eben nichts. Und natürlich essen die Kinder schon mit drei Jahren in der Schulkantine richtige Menüs. Das hilft, denn gemeinsam mit anderen Kindern lernt es sich leichter. Aber das Wesentliche: Für Franzosen ist Essen Lebensfreude und Lebensqualität. Das färbt ab!
Viele Grüße aus Frankreich,
Barbara (Mutter und Oecotrophologin)
Wie erfrischend. Wie normal. Wie gesund und genussvoll. Wie könnte man diese Haltung den Deutschen transplantieren?
Transplantierbar? Schön wär’s!
Die französische Haltung zu Kindererziehung ist unverkrampfter. Eltern und Lehrer haben weniger Probleme mit ihrer Stellung als Erzieher oder Autoritätsperson. « Essentials », wie Essen, Zähneputzen, sich waschen, Tischmanieren etc. werden nicht ständig verhandelt. Das wird ohne Schuldgefühle von Seiten der Erwachsenen gefordert (und gefördert)!
Und nachdem der Zugang zum Essen nicht über die Nährstoffe geht, sondern über den Genuss, heißt es für den Nachwuchs einfach « tant pis pour toi », also « selber schuld, wenn du dir das gute Essen entgehen lässt »!
Schade nur, dass bei Frau Wiener alles immer so schrecklich verbissen klingt, dabei sollte Kochen und Essen doch auch Freude und Genuss sein. Und Lernen funktioniert ja bekanntlich sowieso am besten über positive Emotionen.
Aber wer bringt den Kiddies von heute noch das Kochen bei? Papa oder Mama…lass sie mal reden. Welche Schule hat noch eine Lehrküche. Wenn es eine entsprechende App gäbe..;-)Das Handy ist ja zum ständigen Begleiter geworden.
Wiener fordert im weiteren Verlauf des Interviews auch konsequentere Haltung von Eltern ein: Sie beklagt, dass Kindern sofort jeder (Essens-) Wunsch erfüllt wird und sie deshalb keine Frustration, kein Warten, keinen Aufschub auszuhalten lernen – aber auch keine Vorfreude mehr kennen. Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen. Man kann nicht alles auf die Schule abschieben, auch die Eltern müssen hier wieder mehr Verantwortung übernehmen.
Das kann ich nur bestätigen. Durch meine Arbeit bei Klasse 2000 stelle ich immer wieder fest, wie schnell Kindern schon in frühen Grundschuljahren Wünsche erfüllt werden. Genauso geht es mit dem Pausenbrot. Wird ein “normales” Brot nicht gegessen, dann wird halt das abgepackte Schokoladencroissant mitgegeben. Mit der Begründung:”Damit das Kind überhaupt etwas isst.” Und Kinder bemerken ganz flott, wieviel Druck sie über das Essen auslösen können. Und wer will schon gerne Stress. Das sollten Eltern wieder lernen auszuhalten: Den Machtkampf ums Essen. Es ist der einzige Machtkampf, den Kinder in diesem Alter führen können, aber sie möchten dadurch auch Grenzen erfahren. Und wer setzt sie?
Was ist Ihre Erfahrung aus der Praxis: Wie gehen “moderne” Eltern damit um, wenn man sie auffordert, Grenzen zu setzen, diesen Machtkampf auszufechten und auszuhalten?
Die meisten stellen sich diesem Machtkampf erst garnicht. Leider! Da wird nachgegeben, weil das Kind ja nichts isst. Zwischendurch wird der Apfel, mundgerecht geschnitten, hinterher getragen. Mein Satz bei solchen Fragen in Vorträgen zur Kinderernährung:”Kein Kind verhungert freiwillig an vollen Töpfen.”