..vor allem dem von Journalisten. “Millionen Menschen sterben einer Studie zufolge jedes Jahr, weil sie zu viel Salz gegessen haben. Allein im Jahr 2010 verursachte Salzkonsum weltweit 2,3 Millionen Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.” So stand es vor kurzem in der taz unter der Headline “Das weiße Gift”. In ähnlichen Varianten – eine dramatischer als die andere – war es in vielen weiteren Berichten deutscher Journalisten während der letzten Wochen zu lesen, erschienen quer durch die Medienlandschaft von BILD bis Spiegel (wen’s interessiert: Goggle News findet die Artikel noch alle!). Auslöser war eine Meldung der Harvard School of Public Health, in der es hieß: “The global taste for salt may have been responsible for 2.3 million heart-related deaths worldwide in 2010.”
Wen schert die genaue Übersetzung, wenn es um die reißerische Schlagzeile geht. So werden aus “may have been” schnell mal vollendete Tatsachen (.. übrigens leider auch schon im Harvard-Original) – und wozu Zeit verschwenden mit einer zusätzlichen Recherche? Für die schnelle Story reicht die Katastrophenmeldung über Millionen Salzopfer, herausgegeben von einem amerikanischen Professor, der noch ein bisschen für seinen Vortrag bei der Jahrestagung der Heart Association klappern muss. Zumal es risikolos ist, eben mal wieder auf ein Lebensmittel drauf zu hauen – wer soll sich da schon wehren. Die Salzhersteller zumindest lassen die immer wiederkehrenden Schlagzeilen inzwischen vermutlich nur noch entnervt über sich ergehen und warten, bis es wieder mal vorbei ist.
Mit seriösem und verantwortungsbewusstem Journalismus hat diese Art der Berichterstattung allerdings wenig zu tun. Wie eine verantwortungsbewusster Journalismus im Bereich Gesundheit/ Medizin aussehen sollte, könnte jeder Journalist in den freiwilligen Standards des Verbandes Deutscher Medizinjournalisten nachlesen: „Medizinpublizistische Arbeiten bedingen wegen ihrer Wirkungen auf betroffene, kranke, gefährdete oder wenig informierte Leser, Hörer und Zuschauer eine besondere Verantwortung des Herausgebers, Redakteurs oder Verfassers.“ Deswegen dürfen „Berichte aus Medizin und Gesundheitspolitik keine unnötigen Ängste, aber auch keine falschen Hoffnungen auslösen. Sie müssen deutlich darlegen und erläutern, bzw. differenzieren, was nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Medizin sowohl als gesichert oder als (noch) nicht gesichert gilt und auch, was umstritten oder was nicht herrschende Meinung der Experten ist. Dabei sind die jeweiligen Hintergründe und Begründungen allgemeinverständlich, aber auch inhaltlich hinreichend zu erläutern.“
Im gegenwärtigen Durchtrieb der Salzschlagzeile schert man sich wenig ums Begründen und Erläutern – und schon gar nicht um das eigene Geschwätz von gestern – wie sich am Beispiel des SPIEGELS zeigen lässt: Der vermeldet am 05. April „Salzverzicht würde jährlich Millionen Leben retten“, während er noch im Juli vergangenen Jahres in einem Bericht über den „Streit um den Blutdruck“ Studien zitierte, nach denen Menschen, die wenig Salz zu sich nehmen, sogar ein höheres Risiko eingehen, an einem Herz- oder Gefäßleiden zu sterben: „Das war das Fazit, das die Forscher aus ihren Daten mit knapp 4000 Probanden zogen. Umgekehrt vergrößere ein hoher Salzkonsum nicht die Gefahr von Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.” Im gleichen Atemzug wir eine Publikation der internationalen Cochrane Collaboration eine Metaanalyse, die Studien mit insgesamt 6500 Patienten einbezog und zum Ergebnis kommt: Eine moderate Salz-Reduktion senkt zwar etwas den Blutdruck, einen Effekt auf die Sterblichkeit an Herzkrankheiten hat der Verzicht von Kochsalz jedoch nicht.
Schon richtig: Wir essen zu viel Salz, wir sollten weniger essen. Zu viel Salz kann Bluthochdruck fördern. Doch daraus auf Basis einer nicht hinterfragten Pressemeldung ein paar Millionen Tote zu machen, ist unseriös, ist schlechter Journalismus. Auch bei oberflächlicher Recherche hätte jedem der Katstrophenschreiber schnell klar sein müssen, wie umstritten die Sache mit dem Salz ist: Tasächlich ist noch immer nichts bewiesen im Streit um Salz, Bluthochdruck und entsprechende Todesfälle. Die Datenlage deutet eher darauf hin, dass der Salzverzehr bei den meisten Menschen eher wenig Einfluss hat (siehe dazu auch hier und hier). Nicht die Ernährungswissenschaft verursacht hier die Verunsicherung über einen Sachverhalt aus ihrem Themenbereich. In diesem Fall sind es die Journalisten – mit einer aufmerksamkeitsgeilen Berichterstattung aus der recherchefreien Zone des hingehudelten Turbojournalimus.
Schönes neues Outfit für deinen schon immer interessanten und kreativen Blog!
Viel Spaß damit wünscht I.Berg
Danke für den (wie immer) gut geschriebenen Artikel.
Man sollte bei der ganzen Diskussion um die Salzzufuhr nicht vergessen, dass genannte Arbeiten der Cochrane Collaboration auch herausgearbeitet haben, dass eine hohe Salzzufuhr keinen gesundheitlichen Mehrwert bietet und erst die drastische Reduzierung der Aufnahme (von ca. 20g/d auf 1g/d) zu Nebenwirkungen wie Abweichung der Cholesterolwerte, Anhebung von Aldosteron als Kompensation und verstärkte Freisetzung von Katecholaminen bewirkte. Die dort einbezogenen Studien waren von 4 Wochen durchschnittlicher Dauer. Also nicht geeignet abschließende Empfehlungen zu geben. Dies wurde in den Reviews auch deutlich betont.
Weiterhin ist die Salzaufnahme auch wieder in den Gesamtkontext einzubeziehen. Eine hohe glykämische Last hemmt durch Anhebung der Insulinspiegel die Natriumausscheidung und das ist die Krux. In einer bewussten Ernährung wird eine hohe Na-Aufnahme also wenger schädlich sein, als in einer schlechten Ernährung (ich denke jeder weiß was ich damit meine).
Zusammengefasst: Da eine hohe Salzaufnahme (bei ausbleibenden Verlusten mit dem Schweiß und gestörter renaler Elimination) keinen gesundheitlichen Mehrwert bietet, sind aus meiner Sicht die Anstrengungen, die durchschnittliche Salzaufnahme zu begrenzen, weiter zu fördern und nicht ins Lächerliche zu ziehen. Wie in Ihrem Text schon angesprochen muss hier differenzierter geforscht und auch berichtet werden. Dies wird allerdings an dem Unvermögen breiter Bevölkerungsschichten scheitern, ernährungswissenschaftliche Informationen adäquat zu deuten un umzusetzen.
Freundliche Grüße
S. Lux
vielen dank für diesen klärenden artikel! ich hatte mich über die meldung auch schon gewundert; zumal ich noch den zitierten spiegel-artikel im hinterkopf hatte.
besonders ärgerlich finde ich, dass bei der bewertung von lebensmitteln durch stiftung warentest/ökotest, salz regelmäßig als negativer faktor ansonsten gute produkte runterreißt. ich hab null probleme mit dem blutdruck, meiner ist eher zu niedrig, da sehe ich nicht ein, wieso ich auf salz achten sollte.
… etwa Weißmehlbrötchen mit Butter & Woscht – dann gute Nacht, bevor der Tag begann …
Ich verstehe zwar nicht, worauf Ihr Verständnis basiert, dass “ich nix verstehe”, aber ich stehe drauf, dass wir “endlich mal einer Meinung sind”. Verständlich, bei dem Thema – verstanden ?
… ich befürchte, ich hatte heute morgen schon zu viel Salz im Frühstücksbrötchen 🙂
Klasse-Beispiel für “Ernährungsforschungsbusiness as usual” … und besonders schön: Kurz vor der o.a. “Killersalz-Studie” ergab eine andere Studie, dass auch beim Salzkonsum das “ökotrophologische Universalcredo” gilt: Nichts Genaues weiß man nicht ….
“Trotz mehr als 100 Jahren der Forschung ist die Frage noch immer ungelöst, ob eine Reduzierung der Salzzufuhr die Gesundheit fördert” … Außerdem könnten auf Dauer schädliche Nebenwirkungen einer salzarmen Kost drohen …
https://www.scinexx.de/newsletter-wissenswert-37-1.html
Lieber Herr Knop. Sie haben mal wieder nix verstanden – es geht mir doch gerade darum, zu zeigen, dass die Elaborate vieler Journalisten nichts mit oecotrophologischem Verständnis des Sachverhaltes zu tun haben. Ansonsten freue ich mich aber unendlich, dass Sie endlich auch mal meiner Meinung sind :).
Hallo,
ganz herzlichen Dank für diesen Artikel und Glückwunsch zum neuen Internetauftritt!