“Rettet die Milch” – das fordert SLOW FOOD in der druckfrischen Ausgabe seines Magazins (NR. 3 Juni-Juli 2014) in einer „Grundsatzerklärung“ zur Rohmilch. Dabei zeigt man sich offensichtlich völlig unbeeindruckt von den Risiken und Gefahren der Rohmilch. Vor eben diesen hat das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) noch Ende vergangener Woche in einer aktuellen Pressemeldung eindringlich gewarnt. „Rohmilch ab Hof sollte vor dem Verzehr immer abgekocht werden, weil sie mit Krankheitserregern wie Campylobacter oder EHEC verunreinigt sein kann“, erklärte dort Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR. Wer mehr wissen möchte über die Gefahren des Rohmilchverzehrs, wird hier fündig.
Die Argumentation der SLOW FOOD Erklärung, die eher die Bezeichnung Pamphlet verdient, ist weniger von ernährungsphysiologischen, lebensmittelhygienischen oder ernährungsmedizinischen Kenntnissen als von Sozial- und Ökoromantik bestimmt, unterlegt von einem überflüssigen und misslungenen Ausflug ins Politische. „Die von der nationalsozialistischen Regierung mit ihren zentralen gesetzlichen Regelungen veranlasste Einführung der heute noch üblichen flächendeckenden Hitzebehandlung der Milch ist zum einen als eine Maßnahme im Rahmen der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges zu betrachten. Zum andern beförderte sie die Entwicklung der großbetrieblichen Strukturen der deutschen Milchwirtschaft.“ Was, bitteschön, will uns SLOW FOOD damit sagen?
Die dilettantische Argumentation Pro-Rohmilch ist aus wissenschaftlicher Sicht ausgesprochen dürftig: „Rohmilch ist ein Lebensmittel von hoher gesundheitlicher Bedeutung. Zumindest bei der Muttermilch wird dies allgemein anerkannt. Obwohl auch Muttermilch stark mit Keimen belastet sein kann, käme trotzdem niemand auf die Idee, die Qualität der Muttermilch dadurch zu verbessern, dass man sie erhitzt. Nachgewiesen ist die gesundheitsfördernde Wirkung des Rohmilchkonsums bei Asthma und allergischen Erkrankungen. … Wo Risiken zu erkennen sind, z.B. bei Tuberkulose (TBC) in Rinderbeständen, sollte auf das Risiko hingewiesen werden, und der Staat sollte seiner Aufgabe der Seuchenprävention gewissenhaft nachkommen.“ Da macht sich’s SLOW FOOD nun sehr bequem. Für das Restrisiko soll bitteschön der Staat die Verantwortung tragen, wobei man davon abgesehen grundsätzlich der Meinung ist, dass „das gesundheitliche Risiko beim Verzehr (Genuss!) von Rohmilch weitaus geringer ist, als dies die ‘Ächtung’ von Rohmilch durch die staatlichen Regelungen rechtfertigen würde.“
Warum ausgerechnet der Staat das Restrisiko tragen sollte, wo SLOW FOOD ein paar Zeilen später pathetisch auf das Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers pocht, bleibt dem kritischen Leser verborgen: „Wir sind souveräne Verbraucher! Wir wollen selbst abwägen, welche gesundheitlichen Vorteile wir mitnehmen und welche gesundheitlichen Risiken wir gegebenenfalls eingehen wollen –auch bei Rohmilch und Rohmilchkäse. Wir wollen uns die Vielfalt des Milchgenusses nicht verbieten und uns nicht dazu zwingen lassen, uns mit einer für das dominante Lebensmittelsystem bequemen, aber industriell bearbeiteten, weitgehend denaturierten Milch zu begnügen –die nicht zuletzt auf Großbetriebe und industrielle Tierhaltung setzt und weniger die erhaltenswerte kleinbäuerliche Landwirtschaft und nachhaltige Kreislaufwirtschaft fördert.“
„Nein, meine Suppe ess ich nicht! Dafür will ich aber meine Rohmilch wieder haben!“ Mit diesem Papier, für das übrigens kein Autor verantwortlich zeichnet, macht sich SLOW FOOD zum Suppenkasper in einer Diskussion, die eigentlich weitgehend als abgeschlossen gelten sollte.