Das Dicke muss raus aus der Schule – notfalls mit Gewalt oder:
Weniger Kindergeld für Eltern, die das Dicke nicht aus ihren Kindern treiben?
Das Dicke ist überall. Natürlich ist es auch in unseren Schulen. Unübersehbar macht es sich in den Klassensälen breit. Vielerorts quillt das Dicke aus den Schulbänken, schiebt sich über die Schulhöfe und droht, das gesamte Bildungssystem im wuchernden Fettgewebe zu ersticken. Schon empfinden die Lehrer die Situation als so alarmierend, dass Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, aus Anlass der jüngst veröffentlichten Zahlen des statistischen Bundesamtes (siehe Blogeintrag von gestern) drastische Gegenmaßnahmen verlangt.
Im Interview mit BILD.de ruft der Oberlehrer nach scharfen Maßnahmen zur Kontrolle der Fettseuche. „Regelmäßige Pflichtberatungen mit Gewichtskontrolle könnten das Problem schon in den ersten Schuljahren eindämmen. Dazu muss die Zahl der Amtsärzte verdoppelt oder verdreifacht werden.” Bei Auffälligkeiten könnten die Mediziner rechtzeitig Alarm schlagen und zur Not die Behörden einschalten: „Gesundheitliche Vernachlässigung bis hin zur Verwahrlosung ist ein Vergehen. Wenn sich Eltern nicht um gesunde Ernährung und genügend Bewegung ihrer Kinder kümmern, ist das im Extremfall schon der Einstieg in Kindesmisshandlung.” Übergewicht, so Kraus, belaste die körperliche und seelische Gesundheit des Kindes – und verursache außerdem auf Dauer „gigantischen volkswirtschaftlichen Schaden”. Darum seien Sanktionen erforderlich, sagt Oberstudiendirektor Kraus: „Wenn Mitteilungen an die Eltern übergewichtiger Kinder in den Wind geschlagen werden, muss das Jugendamt informiert und in letzter Instanz Kindergeld oder Hartz IV gekürzt werden.”
Wohl bekomm’s meint: Gut ist, das Kraus hier ein Problem benennt, vor dem gerne alle die Augen verschliessen: Eltern, die die Gesundheit ihrer Kinder vernachlässigen, bewegen sich am Rande der Kindesmisshandlung – und solche gibt es vermutlich leider sehr viel mehr, als man sich vorstellen mag. Kraus irrt allerdings, wenn er glaubt, dass eine Bestrafung der Eltern der richtige Weg aus der Misere wäre. Mit der Bestrafung krankheitsfördernden Verhaltens ist man schnell beim Einstieg in die Gesundheitsdiktatur, die keiner wollen kann. Leidtragende wären in diesem Fall vermutlich eh nur wieder die Kinder: Die Kürzung würde ihnen vermutlich am Mund abgespart – nicht unbedingt mit weniger, sondern mit noch schlechterem, billigerem Essen. So erhält Josef Kraus für seinen Vorschlag leider nur die Note mangelhaft!Statt zu bestrafen sollten Staat und Schule endlich eine fundierte Gesundheits- und Ernährungserziehung anbieten, die schon in der Grundschule beginnt und früh die Weichen stellt für ein bewussteres Ernährungs- und Gesundheitsverhalten. Bei diesem Vorschlag zucken Politker und Schulfunktionäre allerdings regelmäßig verschreckt zusammen, denn der ist nicht umsonst zu haben. Langfristig gesehen wäre das jedoch bestens investiertes Geld: Die Behandlung späterer Wohlstandserkrankungen der heute schon angeschlagenen Jungen wird schon bald ein Vielfaches verschlingen.