Noch-Kanzler Olaf Scholz will Lebensmittel billiger machen.-mit einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die bei näherem Hinschauen nicht mehr als ein billiges Wahlkampf-Lockvogelangebot ist. „Politikern zu applaudieren, weil sie mit öffentlichen Geldern ein neues Krankenhaus, eine Autobahn oder eine Eisenbahn gebaut haben, ist dasselbe, als wenn man einem Geldautomaten applaudiert, weil er einem sein Geld auszahlt.“ soll David Bowie dereinst gesagt haben. Für seinen Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf um zwei Prozent zu senken, hat auch Olaf Scholz eher ein müdes Lächeln als Applaus verdient. “Das würde ganz vielen, die wenig Geld verdienen, helfen.”, sagte er am Dienstagabend im ARD-Tagesthemen-Interview. Das Sparpotential für die Verbraucher hielte sich jedoch in sehr engen Grenzen. Ein Beispiel: Frische Vollmilch kostet beim Discounter derzeit incl. 7% Mwst. etwa 1,25 Euro. Bei 5 % wäre der Preis 1,23 Euro – eine geradezu lächerliche Einsparung von 2 Cent. Und auch wohlhabende Gourmets, die sich schon mal ein Kilo Thunisch in Sushi-Qualität für 50,00 Euro leisten, werden von 1,00 Euro Ersparnis nicht wirklich reicher.
Für WELT am Sonntag–Kolumnist Harald Martenstein ist das „versuchter Stimmenkauf, auf die plumpe Art“. Er fragt sich: „Warum wohl fällt ihm das gerade jetzt ein? Für wie dumm hält er die Bevölkerung?“ Seine Schlussfolgerung: Der Vorschlag von Scholz ist nichts anderes als Populismus-” aber die Art von Populismus, die nicht funktioniert. Die Leute möchten nicht, dass die da oben sie für Idioten halten, die man zum Discountpreis kaufen kann. Sie möchten stattdessen, dass jemand verlässlich ihre Interessen vertritt.“
Der Vorschlag, der den Bundeshaushalt etwa sieben Milliarden Euro kosten würde, stößt im übrigen bei Verbänden und Opposition auf harsche Kritik:
- Laut Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung, würde ein Zweipersonenhaushalt, der 450 Euro im Monat für Lebensmittel zum reduzierten Steuersatz ausgibt, etwa acht Euro im Monat sparen. Allerdings nur, wenn die Steuersenkung vom Handel vollständig in niedrigeren Preisen weitergegeben werde.
- Die Verbraucherzentralen weisen darauf hin, dass die vorgeschlagene Senkung durch die Gesamtinflation von derzeit mehr als zwei Prozent direkt wieder zunichtegemacht werde. Der Handelsverband Deutschland bezeichnete den Vorschlag als „Entlastungen mit der Gießkanne“, die nicht zielgenau seien.
- Auch die Union lehnte den Vorschlag umgehend ab. “Es macht jetzt natürlich keinen Sinn, wenige Tage vor der Wahl sozusagen mit Wahlgeschenken um die Ecke zu kommen”, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei
Erstaunlich ist allerdings, wie viele Menschen sich von solch durchschaubaren Vorschlägen beeindrucken lassen. Nach wie vor ist „Steuersenkung‘“ ein „Appetizer“, der bei vielen vor Gier den Speichel fließen lässt. „Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ? Großartig! Immer willkommen! Nichts wie her damit!“ – Vor der Kamera der Straßenreporter zeigen sich Befragte begeistert von der Idee. Die Scholz-Ankündigung ist ein Beispiel dafür, dass es Politiker – wenn es um Wählerfang geht – noch immer für einen der besten Köder halten, die Senkung von Steuern zu versprechen. Ein kleines Schmiergeld von vier bis fünf Euro pro Kopf und Monat ist zu wenig, um Scholz wieder “drankommen” zu lassen. Für diesen Versuch hat Scholz nun wirklich nicht die Stimme, sondern die Rote Karte des Wählers verdient.
Dr. Friedhelm Mühleib