Das Wort zum Sonntag kam heute vom neuen Fraktionschef der Grünen Anton Hofreiter, der im Interview mit der WAMS konstatiert : „Bei uns muss sich einges ändern“- und aus dem Veggie-Day Debakel die Lehre zieht: „ Diese Haltung: ‚Wir wissen, wie du zu leben hast‘, die müssen wir ändern. Es macht einen großen Unterschied, ob wir sagen, wir wollen, dass es in jeder Kantine ein anständiges vegetarisches Gericht gibt. Oder ob wir den Eindruck vermitteln, als wollten wir das Fleischessen verbieten.“
Auf den Einwand des Interviewers, dass es doch schon längst überall Vegetarier-Menüs gibt, meint Hofreiter: „Es sind immer noch zu wenige. Mit dem Veggie-Day wollten wir das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir anderen Menschen die Lebensgrundlage wegfressen, wenn wir jeden Tag Fleisch auf dem Tisch haben. Die Futtermittel für Rindfleisch aus konventioneller Produktion kommen aus Südamerika, da werden Kleinbauern mit vorgehaltener Kalaschnikow dazu gezwungen, ihr Land abzugeben. Es gibt Tote und Vergewaltigungen. So wird unser konventionelles Fleisch produziert.“
Ja – und dann könnte man den Veggie-Day noch wunderbar mit einem Aufruf zum Boykott der Fußall-WM in Brasilien verbinden, um die Landgrabber zu bestrafen. Man möchte ja niemanden belehren, aber vielleicht sollten sich Anton Hofreiter und die Grünen doch noch mal überlegen, ob das nun eine wirklich erfolgversprechende Alternative in der Positionierung zum Veggie-Day ist. Gegen eine solche Art von Unrecht ist der Aufruf zum Fleischverzicht die falsche Politik.
Ja, Sie haben schon Recht. Es müsste da viel mehr auf außenpolitischer Ebene geschehen, aber auch auf innenpolitischer, denn außer den ökologischen Aspekten sind da ja auch noch die (tier)ethischen. Zwar behauptet die CSU ja, es gebe in Deutschland keine Massentierhaltung mehr, aber derartige Statements haben nun mal nichts mit der Realität zu tun. Wenn man die inzwischen immerhin zahlreichen Dokumentationen über die Vorgehensweise in Schlachthöfen und die Transporte dorthin, aber auch über die erbärmliche Haltung von Schweinen, Hühnern und teilweise auch Rindern oder Milchkühen nachdenkt, könnte man (ich jedenfalls) manchmal verzweifeln. Ob sich da je etwas ändern wird?
So daneben finde ich persönlich den Vorschlag des Herrn Hofreiter, ehrlich gesagt, nicht. Es ist Tatsache, dass durch die intensive Fleischproduktion die Lebensgrundlage vieler Menschen, letztlich auch unsere eigene angesichts des mit der Regenwaldabholzung verbundenen Klimaveränderungen bedroht ist. Wenn uns dieser Zusammenhang so vor Augen stünde wie den mit der Kalaschnikow bedrohten brasilianischen Bauern würden wir wohl nicht so zimperlich reagieren. Andere Anordnungen seitens des Gesetzgebers zum Schutz unserer Lebensgrundlagen (Umwelt) akzeptieren wir ja auch, ohne dass sie freiwillig sind, wie z.B. die Katalysatorpflicht, Energie- und andere Umweltauflagen. Wenn die Leute partout nicht kapieren wollen, was für dramatische Auswirkungen diese Fleischmassenproduktion hat, warum sollte man da nicht einen vegetarischen Tag einführen dürfen, frage ich mich? Last not least sprächen auch aus gesundheitlichen Gründen viele Argumente für wenigstens einen fleischlosen Tag pro Woche.
“Gegen eine solche Art von Unrecht ist der Aufruf zum Fleischverzicht die falsche Politik.” Dieser letzte Satz meines Beitrags sollte signalisieren: Was Hofreiter anspricht, ist wirklich ein Problem – für dessen Lösung allerdings ein Veggie-Day der falsche Ansatz ist. Ich kenne Südamerika von vielen beruflichen Reisen, ich kenne das Elend (..wobei sich in den letzten 30 Jahren unglaublich viel verbessert hat – auch das muss man sehen). Aber es gibt auch immer noch genügend Fälle von Unterdrückung, Ausbeutung und Vertreibung. Meine Kritik ist: Mit einem Veggie-Day dagegen angehen zu wollen, könnte allenfalls zur Beruhigung des Wohlstandsgewissens beitragen. Bei rasant steigendem Fleischkonsum weltweit in den Schwellenländern interessiert es heute schon niemanden mehr, wie viel oder wenig Fleisch bei uns gegessen wird. Solche Themen müssten Inhalt einer offensiven, klaren und deutlichen, sozialen und an Nachhaltigkeit orientierten Außenpolitk sein, die sich auch traut, die Stimme zu erheben. Von Joschka Fischer vielleicht abgesheen, der sich als Außenmitister von grünen Resten fast fleckenfrei reingewaschen hat, haben die Grünen außenpolitisch noch nicht besonders weit über den Tellerrand hinausgedacht.
Im übrigen bin ich selbst für Fleischverzicht. Mein Motto: Die Hälfte reicht. Dafür gibt es viele Gründe. Die Kalaschnikov am Kopf des Kleinbauern in Südamerika ist einer der schwächsten. Die hat etwas mit der politischen und sozialen Struktur zu tun. Die hätte er auch an seinem Kopf, wenn irgendeiner käme mit Geld und Macht und Appetit auf sein Land – z.B. für die Bioethanolgewinnung oder wegen der Bodenschätze darunter.