Wie die Lebensmittelkonzerne nach dem Karikaturenstreit in der arabischen Welt versuchen, verlorenes Terrain wieder gut zu machen.
Zahllose Lebensmittelskandale in der Vergangenheit haben gezeigt, dass auf das menschliche Vergessen Verlass ist, dass die Begierden des Bauches auf Dauer stärker sind als die Bedenken des Verstandes. Die Halbwertszeit des Vergessens scheint bei politisch bedingten Aversionen noch kürzer zu sein als bei Bedrohungen für die Gesundheit. So kommt jetzt die Entwarnung für alle, die im Zuge des Karikaturenstreiks von schlimmsten Befürchtungen um den Absatz von dänischen Milchprodukten in der arabischen Welt geplagt wurden. Wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, gewinnen dänische Molkereifirmen in der islamischen Welt allmählich ihre Konsumenten zurück. In den Regalen arabischer Supermärkte liegt jetzt wieder „Lurpak“-Butter, „Puck“-Käse und dänischer Feta der Marke „Three Crown“.
Bei Arla, Europas größtem Milchkonzern, sieht man die Lage verhalten optimistisch: „Selbst wenn wir bis Jahresende wieder den halben Umsatz erreicht haben, haben wir über 50 Millionen Euro verloren.“ Zitiert der Stadt Anzeiger den Arla-Informationschef Louis Honore. Bei dem Versuch, verlorenes Terrain wieder gut zu machen, ist Arla denn auch nicht zimperlich. So schaltet der Konzern in arabischen Tageszeitungen Anzeigen, in denen man sich von den Karikaturen distanziert und „Gerechtigkeit und Toleranz“ als „fundamentale Werte“ des Islam preist. Das führt dazu, dass sich Arla in Dänemark fragen lassen muss, wie man es denn mit den fundamentalen Werten der dänischen Demokratie hält: Schon haben Politiker des dänischen Regierungslagers den unterwürfigen Ton der Anzeigen kritisiert und die regierungsnahe Gruppe „Frauen für Freiheit“ ruft nun ihrerseits zum Boykott der Arla-Milchprodukte in Dänemark auf.
Dabei orientiert sich Arla doch nur an einem großen Vorbild: Schon im Februar hat der Nahrungsmittelmulti Nestle in einer arabischen Zeitung inseriert. In der Anzeige sttand zu lesen, dass es sich beim hauseigenen Milchpulver nicht um das Produkt eines dänischen, sondern Schweizer Konzerns handle. So kann man auch Nestle gratulieren für so viel Rückrat und Bekenntnis zu den Werten der Aufklärung, der christlichen Welt und des alten Europa, an dessen Brust der Multi schließlich groß geworden ist.
Das macht exemplarisch vor allem eines deutlich: Die Hoffnung auf ein Engagement der Multis hinsichtlich der Verteidigung christlicher bzw. westlicher Werte im Rahmen der Auseinandersetzung der Kulturen kann man getrost vergessen. Wer weltweit zu seinem Vorteil Ernährungsgewohnheiten beeinflussen und damit viel Geld verdienen kann, von dem wäre zu erwarten, dass er im globalen Kulturstreit seine Herkunft und Werte nicht verleugnet. Das scheint – wie die aktuellen Beispiele von Nestle und Arla zeigen – wohl doch zu viel verlangt. Statt echte Verantwortung zu zeigen, geht man den Weg des geringsten Widerstands. Aus kleinmütiger Angst vor Umsatz- und Profitverlust fällt opportunistischen Managern nichts besseres ein als der ängstliche Versuch vorsorgender Schadensbegrenzung. Mit derlei Anbiederung inclusive dem Vergessen der eigenen Werte lässt sich dem Vergessen der islamischen Verbraucher zweifellos nachhelfen. Ob dies den Konzernen irgendwann sauer aufstößt, bleibt offen – denn wer sich anbiedert, macht sich auch erpressbar. Wohl bekomms!