Wenn’s ums Tierwohl geht, haben die sonst so geizigen Deutschen neuerdings offensichtlich ganz schön die Spendierhosen an – zumindest wenn man dem neuen Ernährungsreport von Bundesministerin Klöckner Glauben schenkt. „Welchen Aufpreis wären Sie bereit zu zahlen für ein Kilo Fleisch, das besonders tierfreundlich produziert wurde?“ wollten Frau Klöckners Interviewer von den Befragten wissen. Knapp drei Viertel der Probanden zeigten sich willens, dafür gerne zwischen 3 und 10 Euro pro Kilo mehr locker machen zu wollen (..ausgehend von einem Grundpreis von 10,00 Euro pro Kilo). Weitere 8 Prozent gaben an, sogar mit mehr als 10 Euro zusätzlich pro Kilo kein Problem zu haben. Das freut Frau Klöckner: Den Deutschen „ist es sehr wichtig, dass Tiere artgerecht gehalten werden“ und sie sind bereit „für Fleisch, das unter besonders tierfreundlichen Bedingungen produziert wurde, auch deutlich tiefer in die Tasche zu greifen“, heißt es im Report. Dummerweise kommt dem wohlfeilen Ergebnis des Reports nun gerade eine Studie der Hochschule Osnabrück in die Quere, die im Grunde das Gegenteil beweist.
Allet hübsch? Nachhaltig denkende Verbraucher greifen für das Tierwohl auf der Animal Farm gerne ganz tief in die Tasche? Denkste! In der (methodisch sehr sauberen) Studie aus dem Bereich Agrar- und Lebensmittelmarketing der Hochschule Osnabrück untersuchten die Wissenschaftler die Bereitschaft zum Kauf von Tierwohlprodukten in Supermärkten auf der Basis von 18.000 Käufen – mit ernüchterndem Ergebnis: Demnach sind gerade einmal 16 Prozent der Einzelhandelskunden bereit, überhaupt einen Tierwohlartikel anstatt konventionell erzeugter Ware zu kaufen. Auch Tierwohl-Siegel förderten dabei die Kaufbereitschaft nur bedingt. Zudem wurden lediglich Preisaufschläge von etwa 30 Cent für einen mittelpreisigen Schweinefleisch-Artikel akzeptiert, der nach Tierwohl-Standards produziert wurde. Das entspricht einer Preiserhöhung von gerade einmal 9 bis 13 Prozent- je nach Ausgangspreis des Artikels. (mehr Infos zur Studie gibt es hier: Zusammenfassung und Ergebnisbericht – spannend zu lesen!)
„Die Ergebnisse haben uns überrascht“, kommentiert Prof. Dr. Ulrich Enneking von der Hochschule Osnabrück. „Bisherige Umfragen haben ergeben, dass viele Verbraucher grundsätzlich bereit sind, deutlich mehr Geld für Fleisch auszugeben, wenn es nach höheren Tierwohl-Standards produziert wurde. Wir wissen jetzt, dass die beobachtete Realität beim tatsächlichen Kaufverhalten differenzierter und komplexer ist. Die grundsätzliche Bereitschaft, im Test mehr Geld für solches Fleisch auszugeben, ist nur bedingt ausgeprägt.“ Enneking verweist in diesem Zusammenhang auf die Komplexität der Thematik und widerspricht pauschalen Aussagen zu einer grundsätzlich und immer vorhandenen Aufpreisbereitschaft. „Man muss diese sehr differenziert betrachten, da immer zahlreiche Faktoren wie zum Beispiel die Kaufkraft oder das Produkt einen Einfluss auf das Kaufverhalten haben.“ Das geringe Kaufinteresse steht dabei im Widerspruch zu den Ergebnissen der parallel durchgeführten Befragung im Kassenbereich. Hier bekundeten den Ergebnissen der Studie zufolge plötzlich ganz viele Kunden ihr großes Interesse an Tierwohl Produkten und gaben an, Tierwohl-Produkte zu bevorzugen.
Übersetzt man den Kommentar des Professors in Klartext, müsste der etwa lauten: Der Deutsche ist und bleibt einerseits ein Sparbrötchen – besonders, wenn es um die Ausgaben für Lebensmittel geht. Ein Sparbrötchen, das sich andererseits aber gerne ins beste Licht setzt, um sich als nachhaltiger, ökologischer und bewusster Konsument zu zeigen. Klappe weit aufreißen, aber Geldbeutel fest zuhalten. So erklären sich denn auch die insgesamt gut 90 Prozent, die sich beim Ernährungsreport mehr oder weniger großzügig zeigen. Wer blöde (in diesem Fall: zu selbst-gefälligen Antworten animierende) Fragen stellt, muss sich nicht wundern, wenn er angeschwindelt wird. Frau Klöckner und ihre Ministerialen müssen sich fragen, ob sie sich mit der unreflektierten Verbreitung solcher wertlosen Ergebnisse einen Gefallen tun. Die Umsetzung von Tierwohl in den Ställen ist wichtig, aber nur eine Seite der Medaille. Dem Verbraucher dann klar zu machen, dass Tierwohl teuer ist, dass Lippenbekenntnisse nicht reichen und er das Fleisch auch kaufen und bezahlen muss, könnte die schwierigere Aufgabe sein. Frau Klöckner sollte einen Report in Auftrag geben, der Vorschläge macht, wie man das anstellt und welche Rolle die Politik dabei zu spielen hat.