Ärzte und Ernährungswissenschaftler diskutieren notwendige Aktualisierung der Ernährungsempfehlungen
Gastbeitrag von Ulrike Gonder
Das Thema gesunde Ernährung ist in aller Munde – und heftig in der Kritik. Widersprüchliche Empfehlungen, dubiose „Experten“ und parallel dazu immer mehr ernährungsabhängige Erkrankungen: All das sind Dinge, die nicht nur Fachleute ärgern, sondern auch zunehmend den Verbrauchern unangenehm aufstoßen. Ein gesundheitspolitisch und -ökonomisch wichtiger Aspekt der Ernährung ist die Frage, ob und wie sich der Verzehr von Fett auf die Herzgesundheit auswirkt. Da es hierzu auf den ersten Blick sehr viel Widersprüchliches gibt, lud die Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft (DGF) Ende Mai renommierte Wissenschaftler und erfahrene Praktiker zu einem Workshop mit dem Motto „Fett und Herz – Versuch einer Bestandsaufnahme“ nach Frankfurt ein.
Rund vierzig Ernährungsfachkräfte, Apotheker und Ärzte auf Einladung hörten nicht nur fachlich ausgezeichnete Vorträge, sondern diskutierten auch intensiv und sachlich mit den Experten. Dabei wurde klar, dass es gar nicht so viele Widersprüche gibt. Es bestand vielmehr Konsens darüber, dass
- die herkömmlichen Empfehlungen, weniger Fett und mehr Kohlenhydrate zu essen, nicht zielführend sind, ja sogar schaden können.
- bei den häufigsten Fettstoffwechselstörungen gerade keine fettarme Ernährung empfohlen werden darf, weil dies die Situation der Patienten verschlimmern würde.
- die heute in Deutschland vorherrschenden Fettstoffwechselstörungen* es erfordern, neben Alkohol die kohlenhydratreichen Lebensmittel zu reduzieren. Dies gilt für zucker- und für stärkereiche Lebensmittel.
- für eine adäquate Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren wie sie in fetten Fischen vorkommen zu sorgen.
- für eine adäquate Versorgung mit (mehrfach) ungesättigten Fettsäuren zu sorgen.
- auch der Fokus auf eine Verringerung der gesättigten Fettsäuren wissenschaftlich nicht mehr haltbar ist. Generelle Empfehlungen wie etwa jene, bei Milch und Milchprodukten die fettarmen oder mageren Varianten zu wählen, sollten aufgegeben werden.
Um die Situation für die essenden Menschen, für Patienten mit herz- und gefäßgefährdenden Fettstoffwechselstörungen und für deren therapeutische Teams zu verbessern, wurde gefordert, dass Ärzte Fettstoffwechselstörungen künftig exakter diagnostizieren und dass die Ernährungsberatung bzw. -therapie individualisiert erfolgen muss. Dazu sei es dringend notwendig, den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxen zu verbessern. Auch die Ernährungsempfehlungen für die Allgemeinheit bedürfen der Aktualisierung. Denn, da waren sich alle einig: Eine auf den alten Empfehlungen basierende falsche Ernährungsberatung oder -therapie kann den Menschen schaden, sprich ihr Herzrisiko steigern.
Daher ist es besonders bedauerlich, dass von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) niemand anwesend war. Da die DGE im Auftrag verschiedener Ministerien Ernährungsempfehlungen für alle Bürger herausgibt, wäre es im öffentlichen Interesse gewesen, dass sie sich an diesen Diskussionen konstruktiv beteiligt hätte.
Die Oecotrophologin Ulrike Gonder hat sich als Publizistin, Autorin und Vortragsrednerin zu aktuellen und kritischen Ernährungsthemen einen Namen gemacht. “Fett in der Ernährung” ist eines ihrer Spezialgebiet.
Ihr aktuelles Buch zum Thema, das sie gemeinsam mit dem Ernährungswissenschaftler Dr. Nicolai Worm verfasst hat: “Mehr Fett – Warum wir mehr Fett brauchen, um gesund und schlank zu sein. Liebeserklärung an einen zu Unrecht verteufelten Nährstoff.”
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