..mit der Online-Veröffentlichung seines unsäglichen und frauenfeindlichen Hetz-Interviews gegen Ernährungswissenschaft und Ernährungsberatung, das unlängst in Effilee erschienen ist. Herzlichen Glückwunsch! Ein Beispiel dafür, dass selbst Leitmedien hierzulande kaum Interesse an sachlicher Information und Berichterstattung über Ernährung und Gesundheit haben, sondern immer wieder auf den publikumswirksamen Effekt aus sind. Die Rechnung ist aufgegangen: Zwei Tage nach Veröffentlichung hat der Artikel bereits 250 Kommentare, in denen sich die Vorurteile überschlagen. 250 Kommentare – das bedeutet ein Vielfaches an Besuchern der Seite. Welch eine unverdiente Aufmerksamkeit. Neben dem großen Applaus, den Pollmer in vielen Kommentaren erhält, nehmen sich die Anmerkungen, die Pollmers Stimmungsmache entlarven oder kritisch hinterfragen, eher wie Randerscheinungen aus. Die Summe der Zustimmung sollte Ernährungsprofis über ihr Image in der Öffentlichkeit zum Nachdenken bringen. Nach der Lektüre von knapp 100 Kommentaren war meine Leidensfähigkeit erschöpft. Gewundert hat mich dabei nur, dass darunter kein einziger war, der sich an Pollmers abstruser, bösartiger Frauenfeindlichkeit stößt. Gewundert hat mich auch, dass (so weit erkennbar) kein einziger Kommentar von Ernährungsprofis darunter ist. Wo sind all unsere Experten?
Übrigens: Es gibt auch noch Leser, die den journalistischen Hintergrund des Effilee-Abdrucks durch die ansonsten so auf Exklusivität und Authentizität der Beiträge bemühte ZEIT hinterfragen – wie jener “Herr Kules”, der fragt: „Wer ist der Journalist der die Fragen stellt? Warum nimmt er die ganzen populistischen Ausführungen von Herrn Pollmer nicht auseinander?! Warum liest das keiner, der sich mit dem Thema WIRKLICH auskennt (ein Biologe, ein Mediziner,…) quer und verhindert den „Abdruck“? Es ist traurig!“
– Aber leider wahr! Schönen Sonntag noch wünscht Friedhelm Mühleib
Zunächst: ich kann Ihrer Argumentation gut folgen. Professionalisierung ist für den Berufsstand essentiell. Trotzdem: Was muss denn im einzelnen getan werden??
Das ist falsch, dass sich kein Ernährungsexperte öffentlich geäußert hat. Ich habe an Effilee geschrieben, ich habe an Pollmer etwas geschrieben, ich habe hier gepostet, ich habe mich beim VDOE zu Wort gemeldet. Auch hier lasse ich mich nicht in “Sippenhaft” nehmen (es sage ja KEINER etwas).
Und was ist geschehen? Anfeindungen aus den eigenen Reihen und Schweigen (Schweinebuchtsyndrom). Wenn ich von Kollegen zurechtgestutzt werde, unsere Arbeit hätte mit pädagogischer Beratung und Psychoedukation nichts zu tun und das Gejammere anfängt, dass ja nicht jeder, wie ich “evaluiert” und ich offenbar den alleinigen “wissenschaftlich-medizinischen” Ansatz nicht akzeptiere, dann kann ich als Ernährungstherapeutin einfach nur noch den Kopf schütteln. Da scheint tatsächlich Hopfen und Malz verloren zu sein. Allerdings mache ich in meiner Aussage einen entscheidenden Unterschied und sage: “Bei denen, die partout nichts dazulernen wollen. Es gibt ganz ausgezeichnete Kolleginnen, die hervorragende Arbeit machen. So wie es schlechte und gute Metzger, Frisöre, Steuerberater, Köche gibt. Menschen sind verschieden, Ernährungsfachkräfte auch! Eine Kolelktivhaftung ist an Unbildung nicht zu überbieten. Über dieses Stadium sollten wir doch schon seit der Schulzeit hinweg sein, oder?
Seitdem halte ich meinen Mund und mache meine Arbeit, denn ich fühle mich von dieser Schelte weder angesprochen, noch getroffen. Und meine eigenen Klienten würden bei solch unterirdischen Pollmereien einfach nur lachen und wahrscheinlich fragen: “Ach, Sie waren also nicht in einer Beratung von Frau Mannhardt und wissen ganz genau, wie es bei ihr ist? Das ist interessant. Können Sie hellsehen? Prangern Sie auch alle Frisöre an, wenn Ihrer ihre Haare vermurkst? Prangern Sie jede Autowerkstatt an, wenn der Lehrling an Ihrem Auto Unfug angestellt hat, obwohl Sie vom Meister bedient werden wollten? Prangern Sie jeden Metzger an, wenn Sie sich irgendwo die billigste Wurst kaufen und nicht einmal fragen, ob der, der sie herstellte auch wirklich Metzgermeister war, sich aber über die miese Qualität beschweren? Wie fanden Sie das Herr Pollmer als in der Schule Kollektivstrafen verhängt wurden? und wo kaufen Sie Ihre Wurst? Beim Hobby-Metzger ohne Plan im Kopf oder beim Meister?”
Wer von den Verbänden und der Kollegschaft noch nicht begriffen hat, was es geschlagen hat, wer noch nicht begriffen hat, wie im Gegensatz zu uns, im Ausland das Image von “Dietitians” ist und was dafür getan werden muss, dem ist einfach nicht mehr zu helfen.
Ich weiß, jetzt wird der liebe Friedel und wahrscheinlich auch viele Kollegen mich in der Luft zerfetzen. Ich halte vieles von dem, was Pollmer sagt, für durchaus bedenkenswert. Das heißt nicht, dass mich die frauenfeindlichen Äußerungen kalt lassen oder ich die Art schätze wie er sein einfach gestricktes Feindbild in Szene setzt. Ernährungsberater, die Menschen auf Kalorien und Wiegeergebnisse reduzieren, mit allgemeinen – meist DGE-gestützten – Vorschriften verängstigen, bei Nichtcompliance schwarze Zukunftsprognosen erstellen , die gibt es ja in der freien Wildbahn tatsächlich. Jeder, der in der Ernährungsberatung arbeitet, kennt solche Fälle. Patienten, die im Fitnessstudio ihren BMI-Kampf verloren haben, Patienten in medizinischen Einrichtungen, die beim Nebenbeiverkauf von teuren Zusatzprodukten und Spezialdiagnosen die Fettbalance nicht erzielen. Schuld ist nie der Anbieter, sondern immer der Patient. Die letzte Anlaufstelle für die, die schon alles, was teuer ist, versucht haben, ist häufig die zertifizierte niedergelassene Ernährungsberatung. Und jedes Mal gibt es dann viel zu tun, um all die unsinnigen Vorschriften individuell zu hinterfragen.
Eigentlich sollten wir dem bösen Onkel dankbar sein, dass er diesen lukrativen Markt bekämpft. Dann brauchen wir uns nicht mit den schwarzen Schafen anzulegen, von denen einige sicherlich zahlende Mitglieder in unseren Berufsverbänden sind. Ich weiß zufällig, dass Pollmer einer ethisch fundierten Ernährungsberatung wie sie im FET-Positionspapier vorgestellt ist, durchaus positiv gegenüber steht und auch gerne Lob verteilt. Vielleicht sollten wir das nutzen?
Woher weißt Du, “dass Pollmer einer ethisch fundierten Ernährungsberatung wie sie im FET-Positionspapier vorgestellt ist, durchaus positiv gegenüber steht und auch gerne Lob verteilt.” Davon habe ich noch nicht viel gemerkt. Mehr Information bitte statt solch kryptischer Andeutungen.
Aha, die Leute in der ZEIT-Redaktion spekulieren sicher auf ein kostenfreies Abendessen beim VDOE. Jetzt wissen wir allerdings nicht, ob die Effilee, die ja von unserer Geschäftsstelle für ihren redaktionellen Fehltritt zum Essen eingeladen werden sollte, schon abgespeist worden ist. Und wir wissen auch nicht, was dabei an Kollateral-Erfolgen so herausgekommen ist. Nicht viel, so scheint es. Denn jetzt steht die ZEIT ante portas und will mit genau dem gleichen Geschreibsel auch was vom Kuchen. Vielleicht wartet der VDOE noch ein bisschen mit der Einladerei. Da kommen sicher noch mehr und dann kann man sie gleich alle zusammen abfüttern.
Habe ich das nur verpasst, oder hat wirklich kein einziger unserer Berufsverbände öffentlich Stellung zu diesen Unsäglichkeiten bezogen? Warum nicht? Ist das nur Leichtsinn oder schon sträfliches Versagen? Glauben unsere berufspolitsch Zuständigen, dass diese Angriffe es nicht wert sind, beantwortet zu werden? Wer sich nicht wehrt, muss damit rechnen, dass die Gegner die eigene Schwäche ausnutzen. Die vielen zustimmenden Klicks zeigen, dass man das nicht einfach mehr nur aus sitzen kann.
Houston, wir haben ein Problem. FET e.V. hat mit seiner schnellen Reaktion auf den Effilee-Beitrag – einer Pressemitteilung und dem Entwurf seines Positionspapieres https://www.fet-ev.eu/index.php/presse/594-pm20130516 – signalisiert, dass hier einiges getan werden muss. FET ist allerdings kein Berufsverband, sondern ein eingetragener Verein, der zum Ziel hat, Ernährungsfachkräfte mit wissenschaftlich gesicherten Informationen und Material für die Beratungsarbeit zu unterstützen. Wenn aber von den berufspolitschen Verbänden so rein gar nichts öffentlich wird, das den Rufmord an einem ganzen Berufsstand etwas entgegensetzt, dann werden wir in Aachen wohl noch einmal nachdenken müssen.
Ich finde es gut, dass und wie der FET reagiert hat, denke aber, dass Deine Kritik am VDOE unsachlich und polemisch und diese Ironie nicht angebracht ist. Schließlich hat der VDOE – wie bereits in meiner Antwort auf Susanne Hagedorn erwähnt – als einziger Berufsverband (… zu denen der FET ja nicht gehört) überhaupt reagiert – und man sollte abwarten, was sich daraus ergibt. Dass sich Pollmer & Co. darauf hin spontan entschuldigen, war schließlich nicht zu erwarten.
Im Prinzip hast Du ja recht, lieber Friedel. Ich bin in mehreren Berufsverbänden und VDOE hat als einziger Laut gegeben. Den „Feind“ zum Essen einzuladen, ist ja wenigstens eine Reaktion. Und vielleicht ist sie gar nicht so schlecht und sogar geeignet, den eigenen Verband besser zu promoten. Kommt auf die Tischgespräche an.
Ich wünschte mir, die einzelnen Berufsverbände könnten ihre Querelen untereinander einmal beiseite stellen und gemeinsam eine Aktion starten. Und ich wünschte mir, es wäre eine, die nicht nur auf die Polemik der anderen Seite reagiert, sondern uns selbst in ein besseres Bild rückt. Dazu müssten wir wissen, wie wir eigentlich in der Öffentlichkeit wahr genommen werden wollen. Denn dass der böse Onkel so viele zustimmende Klicks bekommt, das liegt ja nicht an seinem Charme. Der spricht ja offenbar grundsätzlich etwas an, was den Nerv vieler trifft. Und genau darüber müssen wir nachdenken.
Liebe Frau Hagedorn, kann ich gut versehen, dass Sie der Rechtfertigungen müde sind. Aber was ist die Alternative? Die fehlenden oder schwachen Reaktionen der Berfus- und Fachverbände – abgesehen vom VDOE, der übrigens als einziger Verband öffentlich reagiert hat – deuten darauf, dass man solche Angriffe lieber aussitzen will oder nicht wirklich ernst nimmt. Wenn dem so wäre, ist es Sache der Mitglieder, ihre Verbände in Bewegung zu bringen.
Herr Mühleib, so langsam werde ich als Einzelperson müde mich immer rechtfertigen zu müssen, dass ich als Diätassistentin Ernährungsberatung durchführe.
Ich fände es sehr entspannend, wenn sich die entsprechenden Berufsverbände ernsthaft mit diesen populistischen Äußerungen auseinandersetzen würden und so der Basis den Rücken stärken könnten.