Prof. Claus Leitzmann zum 80. Geburtstag
80 Jahre und ganz schön weise: So möchte wohl jeder achtzig werden: Im Kreise der Familie, umgeben von der geliebten Frau , den wohl geratenen Kindern und einer fröhlichen Enkelschar, versehen mit den Glückwünschen früherer Schüler und Kollegen, verehrt von der Fachwelt, körperlich und geistig fit, mit schlohweißem Haar und weiser Weltsicht. Prof. Claus Leitzmann durfte einen solchen Ehrentag am 06. Februar erleben. Er hat ihn verdient! Denn er, der immer bescheiden geblieben ist, hat Großes für die Oecotrophologie geleistet.
Vater der Vollwerternährung
Man darf ihn getrost als Nestor der Ernährungswissenschaften, Vater der modernen Vollwerternährung, Taufpaten der nachhaltigen und ökologischen Ernährung bezeichnen. Er war und ist noch mehr als das: Er gehörte zu den Ersten, die Ernährung als etwas Ganzheitliches und zudem Globales betrachteten. Über den Tellerrand hinauszuschauen, Dinge systemisch zu sehen und zu analysieren, war über seine ganze wissenschaftliche Laufbahn hinweg charakteristisch für sein Denken.
Er hat seinen Garten gut bestellt, der promovierte Biochemiker, Professor der Ernährungswissenschaft, Forscher, Lehrer, Schreiber, Redner – und Gärtner. Im Jahr 1951 schloss Leitzmann seine erste Ausbildung mit Auszeichnung ab – als Deutschlands bester Gärtnerlehrling. Es folgten viele Studien- und Wanderjahre, nach denen er schließlich seine berufliche Heimat in Gießen fand. Dort wurde er 1974 auf die Professur „Ernährung in Entwicklungsländern“ berufen – und eroberte aus der Provinz heraus die Welt. All seine Verdienste zu nennen, seine Arbeiten zu zitieren und die erfolgreichsten seiner Schüler aufzuzählen, würde Seiten füllen. Eine ganze Generation heute führender Ernährungswissenschaftler – u.a. die Professoren Boeing, Plöger, Hoffmann und Watzl – haben bei Leitzmann promoviert. Immer noch erreichen ihn Dankesbriefe von Schülern aus den 70er und 80er Jahren. Immer noch erreichen ihn Dankesbriefe von Schülern aus den 1970er und 1980er Jahren und Claus Leitzmann ist stolz darauf.
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Die Ernährung aus ganzheitlicher und globaler Perspektive stand immer als Leitgedanke über seiner Arbeit – sowohl in der Forschung alsauch in der Lehre. Von diesem Standpunkt aus erklärt sich der Zusammenhang vieler seiner Aktivitäten und Projekte, der ohne diesen Hintergrund nicht unmittelbar ersichtlich wäre: Leitzmann entwickelte mehrere Konzepte zur zeitgemäßen und nachhaltigen Ernährung- und Lebensweise. Unter seiner Federführung entstanden u.a. die ganzheitlichen Konzeptionen der Gießener Vollwert-Ernährung, der Ernährungsökologie sowie das Projekt The New Nutrition Science. Passend zu diesen durch Nachhaltigkeit geprägten Ideen befasste er sich mit den verschiedenen Ausprägungen des Vegetarismus. Für ihn lag in einer Entwicklung hin zum Vegetarismus das Potential, einerseits langfristig die Ernährungssituation der Menschen in armen Ländern zu verbessern und andererseits kulturübergreifend eine nachhaltige Lebensweise zu fördern. In diesem Ansatz sah Leitzmann einen idealen Weg sowohl für langfristige globale gesundheitliche und ökologische Verbesserungen als auch die Entwicklung vieler positiver gesellschaftlicher und ethischer Aspekte.
Gute Gärtner sind Optimisten
Bei all dem ist ein Teil von Leitzmann immer Gärtner geblieben. Ein guter Gärtner weiss, dass eine Pflanze nur gedeiht, wenn es dem umgebenden System, dem Garten, gut geht. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile – das war ein zentrales Motto, das ihn immer geleitet hat. Leitzmann hat viel dazu beigetragen, dass der Garten der Ernährung heute hierzulande anders gesehen wird als noch vor 50 Jahren: ökologischer, systemischer, vernetzter, globaler. Gute Gärtner sind Berufsoptimisten – vom unerschütterlichen Glauben beseelt, dass all das, was sie gepflanzt haben, auch wachsen wird. Bei Claus Leitzmann ist das nicht anders. Ihn prägt auch heute noch – im aktiven Unruhestand – ein unerschütterlicher Optimismus. Das folgende Interview gewährt einen kleinen Einblick in die Weltsicht eines weisen, jung gebliebenen alten Mannes, der immer noch viel von dem hat, was manchen Jungen fehlt: Hoffnung.