..fordert Autor Martin Reeh in der taz vom vergangenen Wochenende. Wie kommt er dazu? Man stelle sich vor: Ein Unternehmen der Lebensmittelindustrie lässt Menschen zu Hungerlöhnen oder ganz ohne Geld arbeiten und streicht die Gewinne aus der Vermarktung der Produkte ohne Lohnkosten ein. Dagegen würde foodwatch-Chef Thilo Bode doch sicher lauthals Sturm in allen Talkshows laufen.
Derzeit unterstützt Thilo Bode ein Unternehmen, das Ähnliches tut, indem er selbst unentgeltlich dafür arbeitet – allerdings keines aus der Lebensmittel-, sondern eines aus der Medienbranche. Bode hat sich, wie Reeh zu berichten weiß, von der neuen deutschen Ausgabe der Huffington Post als unbezahlter Blogger anheuern lassen – ähnlich wie andere Edelfedern aus deutschen Zwielichtmillieus, darunter Boris Becker und Nicolas Berggruen. Die Zeitungsgründerin Arianna Huffington hat sich, so Reeh, selbst mal als “ehemalige Rechte“ bezeichnet, die sich zu einer „mitfühlenden und progressiven Populistin entwickelt” habe. „Aber um die Huffington-Post-Autoren zu bezahlen, reicht Mitgefühl nicht,“ meint Reeh.
„Die Huffington Post braucht Prominente wie Bode als Zugpferd für ihr Modell des kostenlosen Journalismus. Setzt es sich durch, müssen viele jetzt schon unterbezahlte freie Autoren den Gang zum Jobcenter antreten. Deshalb: Sparen Sie sich bitte die Spenden für foodwatch, werden Sie lieber Fördermitglied bei Freischreiber, der Organisation der freien Journalisten (www.freischreiber.de/wir/fordermitglieder).“ Darüber sollte man nachdenken, bevor man foodwatch sein Erbe vermacht.
Ehrlich gesagt: Hier werden Äpfel und Birnen vermischt, und was dabei herauskommt, ist kein leckeres Kompott, sondern eine Falschdeklarierung von Inhalten.
Vorausgeschickt: Ich bin kein Fan der HuffPost und ihres journalistischen Modells. Der Vergleich zwischen der unbezahlten Lieferung von Inhalten für ein Online-Nachrichtenportal und der Sklavenarbeit in einem Lebensmittelunternehmen hinkt dennoch ganz gewaltig. Denn die HuffPost winkt ja als Gegenleistung nicht nur mit müden Knochen, sondern mit medialer Aufmerksamkeit. Ob dieses Konzept letztendlich aufgeht, mag dahingestellt sein – Herr Bode scheint sich davon etwas zu versprechen, und zwar vermutlich gerade Aufmerksamkeit für Foodwatch. Das ist eine legitime Abwägung von Kosten und Nutzen. Dass sie bei den einen so, bei den anderen so ausfällt, liegt in der Natur der Sache. Herrn Bode und/oder die HuffPost nun für den Untergang des bezahlten Journalismus verantwortlich zu machen, ist meines Erachtens Quatsch.
Zum anderen: Wenn Thilo Bode für die HuffPost schreibt (und zwar offensichtlich in dem Bestreben, damit seiner Organisation zu nützen), macht das die Arbeit und das Anliegen von Foodwatch weniger richtig und wichtig? Ich finde nicht. Und deshalb halte ich diese Boykottaufrufe für wenig zielführend.
Thilo Bode stellt hohe moralische Ansprüche an die, die er mit foodwatch beobachtet: die Lebensmittlindustrie. Das ist gut so, denn es geht schließlich um unsere Nahrung. Werden die Observierten diesen Ansprüchen nicht gerecht, stellt er sie gerne an den Pranger – ob immer zu Recht, wäre im Einzelnen zu überprüfen. Wer so agiert, muss sein Handeln an den eigenen Maßstäben messen lassen. Natürlich ist Bodes Abwägung von Kosten und Nutzen „legitim“ im eigentlichen Wortsinn (berechtigt, rechtens). Ist sie auch moralisch – gemessen an den Anforderungen, die er an andere stellt? – Viele Hunde sind des Hasen Tod: HuffPost und Bode allein lassen sich natürlich nicht für den Untergang des bezahlten Journalismus verantwortlich machen. Aber HuffPost und Co. gehört zu seinen Totengräbern, und jeder, der unbezahlt für sie schreibt, schlägt einen zusätzlichen Nagel in den Sarg. Im Übrigen hat Foodwatch so viel Aufmerksamkeit der Medien, dass es zu deren Steigerung bestimmt keinen Beitrag in der Huffpost braucht. Ich stimme zu: Ein Boykottaufruf ist übertrieben. Der Blick, den Reeh mit seinem Artikel auf Bodes Doppelmoral wirft, dagegen nicht. So will der „Boykottaufruf“ wohl eher ein Ordnungsruf sein als eine echte Drohung. Schließlich schreibt Reeh in seinem letzten Satz: „Vielleicht braucht Bode, der erst kürzlich einen klugen Text über Solidarität in der Eurokrise geschrieben hat, nur einen kleinen Denkanstoß, um zu merken, in welch schlechter Gesellschaft er sich bei der Huffington Post befindet.“ Das klingt doch schon wieder versöhnlich.