Bluthochdruck – der schleichende Killer – steht im Zentrum des heutigen Weltgesundheitstages der Weltgesundheitsorganisation WHO. Im Interview mit Tellerrand beklagt die Bonner Ernährungstherapeutin Dr. Claudia Laupert-Deick den allzu unbekümmerten Einsatz von Medikamenten und die Vernachlässigung der Ernährungstherapie. Dabei könnte, so Laupert-Deick, allein durch eine Umstellung der Ernährung vielen Betroffenen mit milder Hypertonie ohne zusätzliche Medikamente geholfen werden.
Mühleib: Bluthochdruck ist nicht nur eine der verbreitetsten, sondern auch eine der gefährlichsten Zivilisationskrankheiten. Er gilt als einer der entscheidenden Risikofaktoren für die koronare Herzkrankheit. Wird das Problem von der Ernährungstherapie und -beratung ausreichend erkannt?
Laupert-Deick: Das Problem wird leider häufig nicht erkannt und viel zu selten in die Ernährungstherapie optimal integriert. Viele Ernährungstherapeuten ziehen den Fehlschluss, dass die Behandlung von Bluthochdruck nicht wesentlich mehr beinhaltet als die Therapie von Übergewicht oder Typ II Diabetes, die häufig mit der Krankheit einhergehen.
Mühleib: Viele Menschen mit Bluthochdruck leiden am metabolischen Syndrom. Braucht die Hypertonie über die ernährungstherapeutische Behandlung des metabolischen Syndroms hinaus noch spezielle Maßnahmen?
Laupert-Deick: Ja, wer Patienten mit Bluthochdruck behandelt, sollte unter anderem die Natriumzufuhr und das Natrium – Kaliumverhältnis genauer betrachten. Hierzu ist die Auswertung von Ernährungsprotokollen zweckmäßig, um zu überprüfen, ob man die Zielwerte erreicht hat. Auch der Alkoholkonsum muss bei Bluthochdruck sehr kritisch betrachtet werden. Auf den sollten Betroffene möglichst völlig verzichten.
Mühleib: Welche Erfolge lassen sich durch Ernährungstherapie und -beratung bei Hypertonikern erzielen?
Laupert-Deick: Der Gesamtnutzen einer professionellen Ernährungstherapie entspricht dem eines guten Antihypertonikums. Wird eine leichte Hypertonie für einige Wochen bzw. Monate mit einer Lebensstiländerung behandelt, so erreichen 40-50% der Patienten Normalwerte. Bei einem mittelschweren und schweren Bluthochdruck sollte eine Veränderung des Lebensstils immer eine Ergänzung der medikamentösen Behandlung sein.
Mühleib: Einige Medikamente gegen Bluthochdruck führen zu einer Gewichtszunahme – was wiederum den Blutdruck in die Höhe treibt und das metabolische Syndrom begünstigt. Kann Ernährungstherapie und -beratung dazu beitragen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen?
Laupert-Deick: In erster Linie sind es die Beta-Blocker, die zu einem Anstieg des Körpergewichtes führen. Beta Blocker sollten nach der aktuellen Leitlinie eigentlich nur bei manifester koronarer Herzkrankheit (KHK) eingesetzt werden. Für Patienten ohne KHK wäre neben einem geeigneten Medikament die Lebensstiländerung das Mittel der Wahl für eine erfolgreiche Behandlung. Sollte sich der Blutdruck dabei normalisieren, können die Medikamente reduziert oder sogar abgesetzt werden.
Mühleib: Welche Fähigkeiten brauchen Ernährungstherapeuten und -berater um Hypertoniker erfolgreich zu behandeln?
Laupert-Deick: Die Behandlung der Hypertonie gehört auf jeden Fall in den Bereich der Ernährungstherapie und nicht in den Bereich einer Beratung. Zu den Mindestvoraussetzungen für die optimale Betreuung der Patienten gehören die Analyse von Ernährungsprotokollen, die Durchführung von mindestens 5-6 Therapiesitzungen, sowie gute Kenntnisse über die Zusammenhänge von Ernährungseinflüssen und Hochdruck bzw. von Medikamenten und ihrer Wirkung. Eine gute Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt ermöglicht die patientengerechte Abstimmung über die Kombination von Medikamenten und Lebensstiländerung.
Mühleib: Wie Können Ernährungsfachkräfte die Zusammenarbeit mit den Ärzten beim Thema Bluthochdruck aktivieren / intensivieren?
Laupert-Deick: Eine geeignete Möglichkeit, die sich in meiner Praxis bewährt hat, ist das Verfassen von Up-Date Informationen, die dann an die Ärzte versendet werden, mit denen man kooperiert oder in der Zukunft zusammen arbeiten möchte. Natürlich können gut ausgebildete Ernährungsfachkräfte auch durch Ärztefortbildungen neue Patienten aquirieren.
Dr. Claudia Laupert-Deick betreibt eine Praxis für Ernährungstherapie und –beratung in Bonn. Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen gehören zu ihrenSchwerpunktthemen. Sie ist Mitautorin des im TRIAS-Verlag erschienenen Ratgebers Bluthochdruck senken ohne Medikamente. Das Buch ist nicht nur eine ausgezeichnete Anleitung für Betroffene, die ihre Krankheit mit natürlichen Mitteln behandeln möchten, sondern hilft Ernährungsfachkräften und – so sie sich dafür interessieren – natürlich auch Ärzten, den Patienten lebensstilorientierte Behandlungsalternativen zur Pharmakotherapie aufzuzeigen.
Der Mensch & der Einzelfall im individuellen Blickpunkt maßgeschneiderter Therapie – da sind wir doch konsistent einer Meinung.
Ich glaube, man muss wirklich in der Praxis der Ernährungsberatung stecken um erkennen zu können, was einem Menschen mit Hypertonie hilft oder nicht.Dr. Laupert-Deick beschreibt eigentlich sehr gut, dass eine Ernährungsumstellung helfen kann.
Wenn ich einen Klienten betreue bei dem ich im Ernährungstagebuch sehe, dass er sich häufig von Fertiggerichten ernährt, dann würde ich ihm auf jeden Fall raten probeweise Kochsalz zu reduzieren. Ernährungsberatung ist immer individuell, hat Herr Mühleib auch beschrieben. Für mich sind Studien in sofern von Nutzen, dass ich mir “Filetstückchen” rauspicke um die dann Klienten an die Hand zu geben.Nicht mehr und nicht weniger.
Dazu ein passender Auszug:
“Ein anderes Beispiel zeigt die unterschiedliche Bewertung von Ernährungsstudien durch Fachorganisationen: So wird von der DGE „aufgrund der vorliegenden Daten die Evidenz für einen blutdrucksenkenden Effekt einer Erhöhung des Gemüse- und Obstverzehrs als überzeugend eingestuft“. [5] Kern der DGE-Bewertung sind insbesondere auch Studien zur Blutdruck-Diät namens „DASH“. Das IQWiG, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, veröffentlichte jedoch einige Monate vorher folgendes Fazit: „Es liegen keine Studien vor, die ausreichend Daten liefern für eine Nutzenbewertung einer Ernährungsumstellung auf die spezielle Ernährungsform ‚DASH-Diät‘ bei Patienten mit essenzieller Hypertonie … Es liegt somit insgesamt kein Beleg für und kein Hinweis auf einen patientenrelevanten Nutzen bzw. Schaden durch eine Umstellung der Ernährung auf die spezielle Ernährungsform ‚DASH-Diät‘ vor“. [6] Wer hat nun Recht? Ernährungsforschung ist und bleibt mehr eine Glaubens- denn Wissensfrage….”
aus -> https://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/ernaehrungsregeln_wo_bleiben_die_daten
Die Frage ist doch immer: WARUM hat jemand Bluthochdruck? Die Ursachen sind gerade bei Hypertonie nicht nur oft unklar, sondern es gilt auch hier wie immer: sie sind individuell & multikausal. Eine generelle Aussage, dass eine alleinige Ernährungsumstellung gegen Hypertonie hilft, ist wissenschaftlich untragbar und anmaßend. Im “großen Pott” der Lebensstilmodifikationen haben Ernährungsadaptionen sicher in Einzelfällen Relevanz, aber für das Gros der Hypertoniker kann zum Effekt niemand eine ebm-Aussage treffen. Siehe dazu auch das Thema “Salz & Hochdruck”. Auch hier hier gilt: Nichts Genaues weiß man nicht …
Dass eine alleinige Ernährungsumstellung gegen Hypertonie hilft, ist tatsächlich wissenschaftlich untragbar und anmaßend. Das wird aber auch von Dr. Laupert-Deick im Interview nirgends behauptet. Bei milder Hypertonie (Schweregrad 1)(Syst. 140-159 Diast. 90-99) kann eine Ernährungstherapie tatsächlich in den Normbereich zurückführen. Kann – muss nicht! Gerade hier liegt die Chance einer fundierten Ernährungstherapie: Wenn sie hilft, hilft sie – individuell – und das ist dann gut und wichtig! Was, wenn nicht individuelle Maßnahmen soll denn helfen bei ursachen, die “individuell & multikausal” sind? Ernährungstherapie ist ein wichtigr Baustein individualiserter Medizin – und genau dadurch hat sie hier ihre Berechtigung.