Eine Zuckersteuer auf Softdrinks in Deutschland würde im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas große Fortschritte bringen – und damit verbunden volkswirtschaftliche Einsparungen in Milliardenhöhe: Mit Blick auf die nächsten zwei Jahrzehnte würden deutlich weniger Menschen als derzeit an Adipositas und Herz-Kreislauf-Leiden erkranken und die Zahl der zu erwartenden Diabetes-Erkrankungen dürfte sich um etwas eine viertel Million Fälle reduzieren. Das zeigt eine aktuelle Simulationsstudie der Technischen Universität München (TUM). Dabei haben die Forscher volkswirtschaftliche Einsparungen von rund 16 Milliarden Euro innerhalb der nächsten 20 Jahre errechnet, davon etwa 4 Milliarden Euro an Gesundheitskosten – z.B. durch weniger Krankheitstage und geringere medizinische Behandlungskosten. Dabei lassen die positiven Ergebnisse einer Zuckersteuer in anderen Ländern (..die deutlich besser sind als die Effekte von Werbeverboten) den Schluss zu, dass die Prognosen der Münchner Wissenschaftler durchaus realistisch sind. Man fragt sich nur, warum eine Steuer nur auf zuckerhaltige Softdrinks erhoben werden soll, wo die Ergebnisse der Münchner Studie doch nahelegen, alle stark zuckerhaltigen Lebensmittel zu besteuern.
Die Lektüre der aktuellen Studie möchte man insbesondere Cem Özdemir empfehlen, der sich derzeit mit seiner Kampagne für ein Süßwaren-Werbeverbot mit Fokus auf Kinder total verrennt. Eine Steuer wäre nicht zuletzt deshalb viel sinnvoller als Verbote, weil sie Hersteller und Verbraucher (.. auf dem Weg über höhere Preise) gleichermaßen in die Verantwortung nimmt, weil sie sich ohne Bürokratie und Kontrollaufwand umsetzen lässt und zu all dem noch Einnahmen bringt. Käme die Politik dann noch auf die Idee, die Steuereinnahmen in die Prävention und Therapie der Adipositas zu stecken und in die Finanzierung von mehr Ernährungserziehung und -bildung zu investieren, dann wäre das fast schon ein Wunder – aber man darf ja mal träumen.
Steuern und Verbote bringen nichts – wenn Eltern nicht mitziehen
Dass es nicht ohne staatliche Interventionen geht, zeigt das bisherige Ergebnis der 2018 verkündeten Selbstverpflichtung der deutschen Getränkeindustrie, den Zuckergehalt in Softdrinks zu reduzieren. Fazit ist, dass Appelle und freiwillige Vereinbarungen nicht helfen. Eine Studie der TUM vom Anfang dieses Jahres hat ergeben, dass die Maßnahmen der Hersteller bisher deutlich hinter den Versprechungen zurückbleiben. Kurzum: Viel PR und nichts dahinter. Im Übrigen wird eine Steuer alleine das Problem von Übergewicht und Adipositas bei Kindern nicht lösen. Wer Übergewicht und ungesunde Ernährung erfolgreich bekämpfen will, der kommt nicht um die Mühen der Kindererziehung herum. Kinder müssen den maßvollen Umgang mit Süßigkeiten lernen – auf dem Weg über Ernährungserziehung und -bildung, sonst bringen weder Verbote noch Steuern die Lösung – hier sind Eltern und Schulen in der Pflicht!
Im Übrigen erinnere man sich: In den Koalitionsverhandlungen der Ampel Ende 2021 wurde über Zuckersteuer und Werbeverbote als mögliche Maßnahmen verhandelt. In der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben wurden nur die Verbote. Wenn man weiß, wie Politiker funktionieren, lässt sich das leicht erklären: Die Steuer hätte auf Grund der Kosten sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher (höhere Preise für die Produkte) beide Seiten auf die Barrikaden gebracht. Das wollte man tunlichst vermeiden. Entsprechend kann jetzt Cem Özdemir mit dem Werbeverbot vom Image als Schutzpatron der Kinder profitieren. Gleichzeitig nimmt er die Erwachsenen – speziell die Eltern – aus der Pflicht und verursacht den Herstellern keine direkten Kosten. Wenn nach ein paar Jahren die Erfolglosigkeit der Verbote sichtbar wird, dürfte ihm das wenig schaden. Er wird dann kaum mehr Ernährungsminister sein.