Ulrike Gonder im Gespräch mit Dr. Friedhelm Mühleib
Seit dem Ausbruch der Krise ist es recht still geworden um das Thema Ernährung – von Berichten über das merkwürdige Einkaufsverhalten panischer Großstädter im Supermarkt einmal abgesehen. Selbstverständlich ernähren sich die Menschen weiter – doch anscheinend häufig auf der Basis „leerer“ Kalorien wie Mehl und Zucker. Frisches Gemüse und Obst waren zumindest nie ausverkauft während des Lockdowns. Dass unsere Nahrungsmittel unsere Heilmittel sein sollten, wie Hippokrates schon empfohlen hat, scheint in Vergessenheit geraten bzw. im Fall von Corona keine Rolle zu spielen. Diesseits von Nahrungsergänzungsmitteln in Megadosen und bedenklicher Wundermittel herrscht Ratlosigkeit in Bezug auf die Nahrung – sogar Vegetarier und Veganer scheinen verunsichert in Schockstarre zu verharren. In Schockstarre scheint sich auch ein ganzer Berufsstand zu befinden. Ernährungsberater und –therapeuten hüllen sich weitgehend in Schweigen; schauen erwartungsvoll auf die VertreterInnen der akademischen Ernährungswissenschaft, denen es allerdings bezüglich Corona ebenfalls die Sprache verschlagen hat. Wie sieht es mit Wirkungen und Wechselwirkungen von Corona und unserer Ernährung aus? Keiner traut sich, etwas zu sagen. Größer als die Furcht vor einer Coronainfektion scheint in diesen Kreisen nur die Angst davor, sich mit Aussagen, die noch nicht letztlich bewiesen sind, angreifbar zu machen und dafür vom Rest ihrer Community geteert und gefedert zu werden. Ulrike Gonder – Ernährungswissenschaftlerin, Autorin und Journalistin mit immer schon kritischem Blick auf ihre Zunft – fordert im Interview mit dem tellerrand die Szene zu mehr Mut in der Sache auf und dazu, sich endlich zu zeigen und zu den Menschen zu sprechen.
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tellerrand: In der aktuellen Diskussion über Corona kommt die Diskussion von Zusammenhängen mit der Ernährung allenfalls am Rande vor. Spielen Ernährungsfaktoren tatsächlich kaum eine Rolle?
Gonder: Ganz im Gegenteil – vom Übergewicht über die Mangel- und Fehlernährung bis hin zum Ernährungsverhalten der Menschen im Shutdown gibt es jede Menge Punkte, über die wir sprechen müssten. Als die Leute zu Beginn der Krise begannen, Berge von Weißmehl und Zucker, Nudeln und Dosenravioli zu horten, war mein erster Gedanke: Jetzt ist die Stunde der Ernährungsmedizin und Ernährungswissenschaft gekommen, jetzt wird unsere Expertise gebraucht. Und was kam? Gar nichts! Während Menschen fast panisch vor allem solche Lebensmittel hamsterten, die bis zum Beginn der Krise als ungesund galten, wäre es von Seiten unserer Experten doch wohl das Mindeste gewesen, auf ein paar wichtige Dinge hinzuweisen:
tellerrand: Woran denken Sie dabei?
Gonder: Man hätte den Menschen sagen müssen – so laut wie möglich: „Kauft gerade jetzt Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte, insbesondere mit reichlich Mikronährstoffen, die wichtig für unser Immunsystem sind: Vitmaine C, E, D, Zink aber auch Protein, um nur die wichtigsten zu nennen. Bevorratet TK-Gemüse und –Obst für die Truhe oder gute Obst- und Gemüsekonserven statt Zucker und Mehl. Die könnten Euer Immunsystem erfreuen. Haltet mit guter Nahrung, und Bewegung in der Sonne Euer Immunsystem fit.“ Was sich altbekannt und selbstverständlich anhört, haben die Menschen jetzt scheinbar vergessen. Dass es unseren Experten am Anfang die Sprache verschlagen hat, wäre vielleicht noch verständlich gewesen. Aber da ist bis heute nicht viel gekommen – abgesehen von vereinzelten KollegInnen aus der Praxis, die mit viel Eigeninitiative vorangingen.
tellerrand: Wie stehen Sie zu vermehrten Berichten und Studien, die Übergewicht und Adipositas als gravierenden Risikofaktor sehen? Während auch darüber hierzulande zwar immer häufiger in den Tagesmedien berichtet wird, hüllen sich Wissenschaft und Experten eher in Schweigen.
Gonder: Aus China wurde schon früh berichtet, dass adipöse Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere Corona -Verläufe haben. Wenn es um die vielzitierten „Vorerkrankungen“ geht, die ein erhöhtes Risiko bedingen, ist Adipositas inzwischen ganz vorne mit dabei. Es sind eben nicht nur die Menschen mit Krebs- oder Lungenerkrankungen. Wie wir jetzt an den Zahlen, insbesondere aus den USA, sehen, ist ein sehr hoher BMI nach dem Alter der zweitwichtigste Risikofaktor für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf. Es geht aber nicht nur um Gewicht und BMI, sondern primär auch um den Körperfettanteil. Wir wissen, dass auch schlanke Menschen einen zu hohen Körperfettanteil haben können. Es spielt also nicht unbedingt eine Rolle, ob eine Person dick oder schlank aussieht, sondern ob er oder sie „überfett“ ist.
tellerrand: Die Bestimmung des persönlichen Risikos wird dadurch eher komplizierter…
Gonder: … wobei Stimmen aus der internationalen Forscherszene den „perfekten Sturm“ heraufziehen sehen, da sich zwei Pandemien überschneiden, wenn das Coronavirus auf viele Menschen mit Fettleibigkeit trifft. Tatsächlich ist ein hoher Körperfettanteil bei den meisten Betroffenen mit einer ‚silent inflammation‘ – einer niedriggradigen chronischen Entzündung verbunden. Das Immunsystem der Betroffenen steht dadurch permanent unter Stress, was im Falle einer Infektion mit Corona anscheinend Auslöser für das erhöhte Risiko schwerer Verläufe ist. Im gesunden Fettgewebe sind viele Immunzellen enthalten und aktiv und machen dort sozusagen ‚einen guten Job‘. Bei Adipositas ist auch die Funktion dieser Immunzellen gestört. Trifft ein Virus auf ein nicht intaktes Immunsystem, dann kann es zu der gefürchteten Hyperinflammation, den Zytokin-Sturm kommen. Fazit: Ein gesundes Immunsystem beschützt uns, und wenn wir zu viel Körperfett und zu wenig Mikronährstoffe und Protein haben, ist die Immunfunktion gestört.
tellerrand: Wenn dem so ist, muss das während einer Infektionswelle mit einem Virus natürlich dramatische Folgen haben. Nur leider ist niemand dazu in der Lage, sein Übergewicht nach einer Infektion mit Corona noch schnell loszuwerden. Im Grunde gibt es keine Möglichkeiten, das Risiko kurzfristig zu senken. Was also tun?
Gonder: Zunächst einmal kann es in keinem Fall darum gehen, die Dicken zu diskriminieren, das ist nicht meine Absicht. Im Gegenteil: Wir müssen über diese Risiken sprechen und den Betroffenen helfen. Und dabei auch selbstkritisch unser weitgehendes Versagen eingestehen: Bei der Bekämpfung der Adipositas hat unser Gesundheitssystem, haben auch wir als Ernährungsexperten bislang wenig Lorbeeren geerntet. Natürlich geht Abnehmen nicht von heute auf morgen. Und dennoch kann jeder jeden Tag etwas für seine Gesundheit tun – statt passiv und ängstlich auf Medikamente oder Impfstoffe zu warten! Das ist doch jetzt die wichtigste Botschaft: Dass wir uns durch eine gute, das heißt nährstoffdichte Ernährung und einen insgesamt möglichst gesunden Lebensstil ein gutes Stück weit schützen können. Das ist gelebte Prävention. Wir können nicht verhindern, dass wir uns ein Virus einfangen. Aber wir können etwas dafür tun, dass unser Immunsystem so fit wie möglich ist, um die Viren zu bekämpfen. Und wer das bisher noch nicht getan hat, kann sofort damit anfangen.
tellerrand: Welche Aufgabe käme dabei den Ernährungsfachkräften zu?
Gonder: Wer spricht denn mit Menschen über den Lebensstil? Die Mehrheit der Hausärzte ganz bestimmt nicht. Hier ist unsere Zunft doch gefragt! Aber es wird leider auch viel zu wenig untersucht und gemessen. Wer kennt denn seinen Vitamin-D-Spiegel oder seinen Aminosäure- oder Zinkstatus – alles wichtig zur Beurteilung des Immunsystems. Da werden Blutdruck und Cholesterin gemessen und dann nicht selten Medikamente verordnet, und das war’s. Deswegen müssen sich Ernährungswissenschaftler und Fachkräfte um die Lebensstilproblematik kümmern. Allen voran die Fachgesellschaften. Sie müssen konkrete Vorgaben machen: Wie eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen sichergestellt werden kann, ob Intervallfasten sinnvoll ist, wie ein Diabetes besser eingestellt werden kann, denn auch der ist ein Risikofaktor für schwere Infektionsverläufe. Was ist z.B. mit denen, die ihren Job verlieren und wenig Geld haben? Die bräuchten unbedingt eine Anleitung, wie sie trotzdem auf ihre Mikronährstoffe kommen, wie sie günstig einkaufen und kochen können. Wo bleibt die große Pressemeldung der DGE: Lernt jetzt kochen und lasst Eure Nährstoffversorgung checken! Füllt unbedingt Eure Vitamin-D-Lücken auf! Wir wissen doch, dass die Bevölkerung grottig mit diesem wichtigen Immunmodulator versorgt ist, nicht nur die Altenheimbewohner! Es gibt zahllose Themen mit Relevanz in dieser Krise. Und dann lese ich in der aktuellen Pressemeldung: „10 Regeln der DGE jetzt auch in arabischer Sprache“. Das ist ja schön für arabisch sprechende Menschen – es kann aber jetzt doch nicht Priorität Nr. 1 sein.
Zur Person: Ulrike Gonder (Referentin, Autorin und Journalistin)
Ulrike Gonder ist Diplom-Oecotrophologin und als freie Wissenschaftsjournalistin, Autorin und Referentin tätig. Sie setzt sich seit vielen Jahren mit ihren oft streitbaren Thesen dafür ein, bei Ernährungsempfehlungen weg von starren Mustern zu kommen und neue Erkenntnisse stärker zu berücksichtigen und hat sich dabei unter anderem intensiv mit der Bedeutung von Fett in unserer Ernährung, Low Carb und ketogener Ernährung auseinandergesetzt. Hier einige ihrer wichtigsten Publikationen:
- Der Keto-Kompass (systemed/Riva, München 2018)
- Mehr Fett!: Warum wir mehr Fett brauchen, um gesund und schlank zu sein. (systemed/Riva, München 2010)
- Ulrike Gonder bei Amazon
Kontakt: https://ulrikegonder.de, mail@ugonder.de, Blog: www.ugonder.de
Auf der Internetseite der Assmann-Stiftung für Prävention gibt es Informationen zum Zusammenhang des Coronavirus mit der Ernährung: https://www.assmann-stiftung.de/schuetzen-gesunde-ernaehrung-und-nahrungsergaenzungsmittel-vor-dem-coronavirus/
Ebenso zum Coronavirus und Fettleibigkeit: https://www.assmann-stiftung.de/erhoeht-fettleibigkeit-das-risiko-fuer-einen-schweren-covid-19-verlauf/
Liebe Frau Schiewe, danke für die Links. Ich habe den ersten angesehen und dachte: Es ist leider wieder das übliche Blabla. Ich vermisse in dieser Situation die positiven Botschaften, das Aufrütteln, das “man-kann-selbst-aktiv-etwas-tun”. Aber vielleicht erleben wir das ja noch 😉
Als ich mich in der ersten “Corona-Schockstarre” befand habe ich mich NICHT gefragt: “Welche Mikronährstoffe brauche ich jetzt, um das blöde Gefühl loszuwerden?”
Mein Unterbewusstsein hatte andere Vorschläge für den Umgang mit der Stresssituation. Und: Es hat funktioniert. Das gemeinsame Kuchen essen in unsere Familie war ein Segen, das Gläschen Wein zum Abendessen gehörte zum Highlight des Wochenendes. Und daher haben wir dieses nicht Gesundheit fördernde Verhalten am zweiten Corona-Wochenende nochmal vertieft. Und siehe da, alle Familienmitglieder hatten zumindest zeitweise ein Lächeln auf dem Gesicht. Es hat tatsächlich nochmal funktioniert!
Es ist aus meiner Sicht völlig unangemessen, den Menschen zu sagen, was sie brauchen, wenn es ihnen nicht gut geht. Da ist jeder sein eigener Experte.
Sobald die Menschen erkennen, dass die Methoden, die im ersten Moment helfen, langfristig wieder mehr Nachteile als Vorteile haben, können sie – wenn sie es wollen – sich wieder besinnen und nach Veränderungen suchen. Bei der Begleitung könnten wir wieder gefragt sein – wenn wir uns nicht im Vorfeld als Ernährungspolizisten, die alles besser wissen, unglaubwürdig gemacht haben.
Die Menschen ernähren sich in Krisenzeiten NICHT von leeren Kohlenhydraten, weil sie es nicht besser wissen. Sondern weil es irgendwelche Vorteile für sie hat. Sonst würden sie es nicht tun. Kinder lernen das schon von ihren Eltern. Wir ernähren uns bestenfalls mit Vollkornbrot, Obst und Gemüse, aber Eltern belohnen und trösten mit anderen Lebensmitteln. Weil es funktioniert. Mittlerweile lässt sich das sogar neurowissenschaftlich belegen. Sobald der Verstand wieder die Oberhand hat, können wir uns wieder “ausgewogen ernähren”. Ich plädiere dafür, die Sprachlosigkeit der Ernährungswissenschaft in der ersten Krisenphase zu akzeptieren und jetzt unsere Begleitung mit Verständnis für das Gewesene anzubieten. Bei mir jedenfalls ist die Nachfrage nach Beratungen schon wieder stark angestiegen.
Liebe Frau Möllenkotte, ich bin in weiten Teilen bei Ihnen (z. B. was die Neurophysiologie der tröstlichen Effekte des Essens angeht), doch möchte ich auch möglichen Missverständnissen vorbeugen: Ich bin weder eine Freundin der üblichen “ausgewogenen” Ernährung noch finde ich die Sprachlosigkeit unseres Berufsstandes gut, weil hier auch Chancen vergeben werden. Und schon gar nicht ist meine Intention, “Menschen zu sagen, was sie brauchen, wenn es ihnen nicht gut geht”. Mein Punkt war, dass wir den Menschen nicht sagen, dass sie etwas tun KÖNNEN, wenn sie denn wollen, und dass evtl. JETZT ein guter Zeitpunkt dafür ist.
“Nur: Was tun, wenn Verticker von Nahrungsergänzungsmittel und Multilevelmarketingsystemen, die Influencer, Laienberater, die Lebensmittelindustrie dieses Thema schon heute wieder lautstark für sich “vereinnahmt”.
– Und wenn alle, die sich dagegen stemmen, massivst und mit sehr persönlichen Beleidigungen als Pharmalobbyisten und Schlimmeres beschimpft werden …. (ich weiß, es könnten alles Verschwörungstheoretiker sein, sind es aber nicht, viele sind einfach von den vielen gegensätzlichen Infos im Internet (vor allem in YouTube-Videos) völlig durcheinander und frustriert).
Hier gibt es übrigens etwas zur Ernährung in Corona-Zeiten: https://www.verbraucherzentrale.nrw/essen-in-der-familie-45954, u.a. zu Lebensmitteln (https://www.verbraucherzentrale.nrw/corona-covid19-die-folgen-und-ihre-rechte-45509) und natürlich auch zu NEM (https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/wissen/lebensmittel/auswaehlen-zubereiten-aufbewahren/coronavirus-was-koennen-nahrungsergaenzungsmittel-45640). Und es wurden sehr viele Verbraucheranfragen beantwortet – aber kaum zu Ernährungsfragen (außer NEM), da die meisten Verbraucher/innen ganz andere Sorgen hatten.
Und wer auf den Seiten des BZfE nach Corona sucht, findet auch knapp 30 Treffer.
Letztendlich ist es eine Frage, ob das Ernährungsthema in Corona-Zeiten von den Medien aufgegriffen wird, und wie immer ziehen Skandale, Betrügereien und Tote mehr als Ernährungsaufklärung, egal wie gut sie gemacht ist. Aber: Jetzt ist eine gute Zeit, wieder richtig loszulegen, die Medien wollen endlich mal wieder andere Themen.
Und, wer das Corona-Netzwerk des VDOe verfolgt hat, konnte auch feststellen, dass viele Ernährungsberater/innen selber gerade Existenzangst haben, schließlich sind aktuell oft wesentliche Standbeine weggebrochen. Nicht zuletzt bin ich begeistert, welche Kreativität viele trotz allem an den Tag gelegt haben, wie viele Webinare besucht wurden und welche Kollegialität und Hilfsbereitschaft sich da zeigte. Das sollten wir erhalten und ausbauen, mit Runden Tischen, Netzwerken etc. Und nein, die DGE kämpft nicht für uns, das müssen wir gemeinsam tun und zwar mit viel Professionalität, um uns von all denen abzuheben, die selbstverständlich auch etwas zum Thema zu sagen haben, weil sie schon mal gegessen haben ;-).
Liebe Frau Clausen, Sie haben mit alldem recht, nur finde ich, dass wir uns gerade in Zeiten großer Verunsicherung positionieren sollten und an die Öffentlichkeit gehen. Etliche Kolleginnen haben das lobenswerterweise ja auch getan. Was ich vermisse bei den “Offiziellen”, möchte ich nochmals am Beispiel Vitamin D zeigen. Da schreibt die VZ (aus Ihrem o.g. Link kopiert): “Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt sogar nicht mehr als 20 µg (= 800 i.E.) Vitamin D pro Tag. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung soll eine gute Vitamin-D-Versorgung am besten durch die Eigensynthese der Haut und über die Ernährung erreicht werden.
Nur wenn das nicht ausreichend ist, sollten Supplemente genommen werden. Wenn Sie wirklich eine Ergänzung benötigen, dann achten Sie auf eine sichere Dosierung.”
Das ist doch hanebüchen! Die 800 I.E. beziehen sich m. W. auf die Frakturprophylaxe, auf sonst nichts. Und auch wenn der letzte Satz richtig ist, so MUSS hier doch m. E. auch der Hinweis erfolgen, dass die Leute bitte mal ihren Vitamin-D-Status checken lassen sollen! Ohne Test weiß ich doch gar nicht, OB ich genug Vitamin D habe. Und wenn sich bei anderen Coronarviren gezeigt hat, dass eine gute Versorgung mit dieser Substanz mit günstigeren Erkrankungsverläufen oder geringerem Infektionsrrisko korreliert, dann ist das doch 1. auch einen Hinweis wert und 2. ein weiterer Grund, den Menschen zu empfehlen, evtl. bestehende Versorgusnlücken zu schließen.
Es ist nicht eine ganze Zunft die schweigt. Es gibt durchaus viele Kollegen in D-A-CH-UK, die sich sowohl mit Webinaren, Veröffentlichungen zu Corona etc. äußern. Wir sind in allen
6 (!!!) Phasen gefragt und das nicht erst seit gestern. Die Studien, die Erkenntnisse der DGEM Leitlinien zur Ernährungstherapie auf den Intensivstationen und was in den ESPEN Statements steht, ist nicht neu! Aber es spielt uns in die Hände, denn unsere Expertise müsste in allen 6 Phasen abgerufen werden:
1. Primärprävention 2. Sekundärprävention 3. ambulante ernährungstherapeutische Beratung von Menschen mit Risikobehafteten Erkrankungen (Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes um nur einige zu nennen), 4. in der stationären Ernährungstherapie der Kliniken, 5. in den Intensivstationen und 6. nach “Genesung”. Nur: Was tun, wenn Verticker von Nahrungsergänzungsmittel und Multilevelmarketingsystemen, die Influencer, Laienberater, die Lebensmittelindustrie dieses Thema schon heute wieder lautstark für sich “vereinnahmt”. Ich stimme Frau Gonder zu. Die Einzelnen, die sich zu Wort melden, gehen im “Getöse” anderer Themen und Lobbyisten einfach unter. Die Frage ist also: Was tun? “Einzelne Rufer in der Wüste werden einfach nicht gehört…da braucht es VIELE.”
und by the way: LEBENSSTIL-MODIFIKATION anleiten und begleiten, das IST der Weg. Nur, was ist aus diesem Weg FÜR die Gesundung geworden? Seit 30 Jahren hören wir doch aus der Forscherszene zu Adipositas und metabol. Syndrom immer nur denselben driss: Iss das Richtige, tu dies, tu das nicht, iss weniger, beweg dich mehr; so als ob bei diesen Informationen noch irgendwer zuhören würde. Der INDIVIDUELLE Lebensstil, persönliche Gewohnheiten interessiert doch die Wissenschaft überhaupt nicht und ob individuelle ernährungstherapeutische Beratung erfolgreich weil wirkungsvoll ist, auch nicht! Bis heute wird versucht DAS Allheilmittel zu finden anstatt sich dem LEBENSSTIL des Einzelnen zuzuwenden und das ist nun mal mehr als Ratschläge und Wissen, was heute JEDER hat. Jahrzehntelang wurde nach dem Gießkannenprinzip verfahren – das rächt sich heute, denn Menschen sind einzigartig. Wir in der Ernährungstherapie wissen das und arbeiten am Lebensstil der Menschen, bilden uns ernährungspädagogsich und ernährungspsychologisch fort und weiter, um tatsächliche Veränderungen im Verhalten von Menschen zu bewirken, nur: Wo bekommen wir eine “Bühne”, eine “Presseplattform”, eine Möglichkeit zu “publizieren” und wo werden wir ernst genommen?
Gestern sagte mir ein Mediziner: “Ihre Branche ist doch eine Branche von verheirateten Frauen, die Kinder groß ziehen und nur nebenher “ein bisschen” Ernährungsratschläge geben und weil das so ist, kann man ihre Branche doch nicht wirklich ernst nehmen.” Das ist unser Image? So werden wir betrachtet? Ist das so? Ich denke, wenn das so ist, brauchen wir nicht auf die DGE zu warten, dann müssen wir – jede Einzelne für das eigene Image kämpfen…Es gäbe 1001 Argumente für unsere Berufsausübung gerade in Corona-Zeiten.
Um MEHR Kollegen zu ermutigen, sich jetzt zu äußern und die Krise als Chance zu erkennen, werden wir von der prof e.a.t. Akademie http://www.profeat-akademie.de in Kürze einen Corona Round-Table veranstalten….und die Frage klären: Welche Wege haben sich bewährt und bieten sich an, um auf uns aufmerksam zu machen.
Wir hoffen auf viele Teilnehmer…um gemeinsam ein wenig vorwärts zu kommen…
… ja, es melden sich viele zu Wort, ich mag dich Sonja hier unterstützen. Es melden sich viele aus dem Ernährungsbereich zu Wort, das ist es. Die Differenzierung, wer dazu welche Kompetenz hat, fällt schwer. Und: Es werden alle (sozialen) Plattformen mit Lebensmittel- und Ernährungsempfehlungen und Rezeptideen, dies über Podcasts, Webinare, Postings, Mails und auch neuen Leitlinien speziell für die klinische Ernährungstherapie der Covid-19-Patienten bespielt. Ich arbeite mich durch 6 Phasen, die ich persönlich modifiziert in 4 Phasen einteilen würde: 1. Primärprävention, 2. Sekundärprävention, sprich Risikopatient mit ernährungsmitbedingter Erkrankung (oder mehrere) – ambulant wir klinisch, 3. Covid-19-Patient (unabhängig von ernährungsmitbedingten Risikofaktoren/-erkrankungen) ambulant wie klinisch und 4. schwer kranker Covid-19-Patient auf der ICU.
Ich überlege, warum die „Nahrungsergänzungsmittel-Verticker“ erneut eine solche Aufmerksamkeit von uns erhalten (sollen)? Sie sind schon immer da (und werden es belieben – Punkt), und es ist doch nichts wirklich Neues, dass sie bei entsprechenden gesundheitlichen Entwicklungen immer wieder hochploppen. Ich glaube, wir sind schon einen Schritt weiter mit den Vitaminen und deren Themen? Womit wir (qualifizierten Ernährungsfachleute) allerdings überhaupt nicht weiter sind, ist die Aussendarstellung unseres fortschrittlichen Wissens. Das zeigt sich mir in der im Interview und auch hier angeführten Diskussion über „Lebensstilfaktoren und deren Veränderung“ und der gleichermaßen in einem Topf befindlichen Thematik der „Adipositas“. Adipositas ist nicht nur über pure Lebensstilveränderung zu beheben, das ist ein hochkomplexes therapeutisches Geschehen, in das du Sonja auch selbst bestens integriert bist durch deine sowohl ernährungs- als auch psychotherapeutischen Kompetenzen.
Ich würde die Frage nicht nach dem „wo finden wir die Bühnen“ stellen, die Plattformen stehen allen uneingeschränkt offen. Ich würde die Frage nach dem „wie“ stellen. Wie offerieren wird die – wie du korrekt ausführst – individuell notwendige Information so, dass sie diese Individuen auch finden? Dass sie sich angesprochen fühlen, egal auf welchen (digitalen/nachrichtlichen/schauenden/schriftlichen) Wegen sie unterwegs sind. Wie schaffen wir die Präsenz auf all diesen Bühnen in der von uns selbst gewünschten, aber auch von den Zielmenschen gebrauchten Form? Ich glaube nämlich tatsächlich, dass unser Image, das der Arzt beschrieben hat, leider stimmt. Es ist nicht schön, aber es stimmt, das geben mittlerweile auch Zahlen aus der Berufsfeldananalyse des VDD her, was die freiberuflich tätigen Ernährungsfachkräfte betrifft. (Die Ergebnisse sind in einer der nächsten D+I-Ausgaben 2020 ausführlich zu lesen) Und dieses „nebenbei macht es uns schwierig, die Info breiter und kompetenter zu transportieren, wie ich es mir wie du auch, wünschen würde.
Liebe Birgit, ich stimme dir vollumfänglich zu. Auch, dass du differenzierst und das WIE erwähnst…Genau darum muss es gehen. Ich danke Dir.
Liebe Frau Mannhardt, vielen Dank auch für Ihren Kommentar. Sie beschreiben die wichtigen Probleme! Und ja, wir dürfen nicht warten, andere warten auch nicht. Wir müssen selbst aktiv sein – und sicher ist auch das Image- und Familienproblem noch immer nicht gut gelöst. Am Image kann man arbeiten, aber wer Kinder hat, möchte ja auch für sie da sein. Die Probleme zu benennen, Netzwerke und runde Tische zu initiieren finde ich gut, wir müssen uns aber auch mehr in die Öffentlichkeit bringen. Viel Erfolg für Ihre tolle Akademie, ich finde Ihre Angebote sehr spannend!
Liebe Frau Gonder, Sie haben völlig Recht. Wer Kinder hat, muss das Spagat schaffen. Wir befinden uns also zusätzlich noch in einer Gesellschaftsdiskussion, Ich kann dieses Ungleichgewicht zwischen Frauen- und Männerrollen, die noch immer herrschen nicht auflösen, und weiß von sehr, sehr vielen Frauen (PatientINNEN), die dieses Spagat schaffen müssen. Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten.
Als bei mir eine Trennung ins Haus stand gab es nur die Wahl zwischen: 1. Entweder beantrage ich Hartz IV und bleibe beim Kind oder 2. Ich gebe mein Bestes und verdiene unseren Lebensunterhalt selbst. Eine Hobbyeinstellung hätte ich mir nicht leisten können. Krisen helfen, über sich selbst hinaus zu wachsen. Trennungen, Corona, Krankheiten – sind KRISEN und sie bieten Chancen.
Uns als Berufsgruppe sichtbar zu machen ist jetzt wichtig. Wir brauchen alle Ideen, und einen intensiven Austausch miteinander über das was und wie es gelingt. Sind Sie dabei?
Sehr gerne! Auch wenn ich selbst keine Kinder habe, war oft genug Spagat angesagt …