Wie sieht es eigentlich mit der Honorierung von Ernährungsfachkräften durch die Krankenkassen aus? Es sieht, gelinde gesagt, katastrophal aus! Das belegt eine kleine Untersuchung von Sigrid Hahn, Professorin für Diätetik an der Hochschule Fulda, und B.Sc. Nicole Tieri. Die Studie dokumentiert einen Zustand, den man fast schon skandalös bezeichnen möchte. Demnach bewegt sich die Kostenerstattung für Leistungen der Ernährungstherapie und –beratung durch zertifizierte Fachkräfte auf unterstem Niveau. Angesichts der Tasache, dass Ernährungstherpie inzwischen in vielen medizinischen Leitlinien zu den empfohlenen Therapieoptionen gehört, spottet die Erstattungspraxis der Kassen jeder Beschreibung.
Ziel der Untersuchung war es, so die Autorinnen, einen Überblick über die Praxis der Kostenerstattung ausgewählter Krankenversicherungen in Deutschland zu geben. Ausgewählt wurden 25 von insgesamt 123 Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und 10 der insgesamt 49 Privaten Kassen (PK) – also jeweils ca. 20% der Anbieter. Schon die Reaktion der Kassen auf Hahns Einladung zur Teilnahme an der Untersuchung kann man nur als Ausdruck extremer Geringschätzung und Ignoranz interpretieren. Von den 25 angesprochenen gesetzlichen Kassen meldeten sich neun überhaupt nicht (!) Drei kamen mit faulen Ausreden daher. Die Privaten gaben sich mit der Anfrage gar nicht erst ab: Nur eine von 10 ließ sich dazu herab, ihr Vorgehen bei der Kostenerstattung zu erläutern – per E-Mail und ohne weitere Beteiligung an der Befragung.
Was sind die Fakten? Ohne nun im Detail zu differenzieren (..die Details sind in der Veröffentlichung nachzulesen) lässt sich zusammenfassen: Für eine 30- bis 60-minütige Einzelberatung werden zwischen 22,– Euro und 46,– Euro erstattet – ohne Berücksichtigung von nötiger Vor- und Nachbereitung. Im Hinblick auf den Aufwand einer selbstständigen Fachkraft kann man die Beträge zumindest in der unteren Kategorie allenfalls als Almosen bezeichnen. Schlimmer noch als dieser Hungerlohn ist die Tatsache, dass nach Hahns Erhebung einige Kassen die Bezuschussung oder Kostenerstattung bei bestimmten Erkrankungen verweigern, obwohl in den jeweiligen Leitlinien die Ernährungstherapie als Bestandteil der Behandlung empfohlen wird. Zu diesen Erkrankungen gehören u.a. Diabetes, Reizdarmsyndrom, CED und nicht-alkoholische Fettleber.
„Dies lässt darauf schließlich, dass der therapeutische Nutzen der Ernährungsberatung / -therapie seitens der GKV nicht ausreichend berücksichtigt wird“, kommentieren die Autorinnen den Sachverhalt und ziehen das Fazit (nachzulesen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift ErnährungsUmschau – online leider nur für Abonennten): Im Bereich der Ernährungstherapie erfolgt die Kostenerstattung in der GKV „in der Regel auf Grundlage von Einzelfallprüfungen, was mit einem erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden ist und zu Verunsicherung bei Patienten und Therapeuten führt, da die Kostenübernahme unsicher ist.“ Schließlich plädieren sie dafür, „einheitliche Standards für die Kostenerstattung von ernährungstherapeutischen Maßnahmen zu schaffen. Dabei sollte auf möglichst niederschwellige und einheitliche Umsetzung geachtet werden.“ Etwas weniger freundlich als die Autorinnen könnte man sagen: Die derzeit Praxis der Kostenerstattung für die Ernährungsberatung und -therapie grenzt an Willkür – zum Schaden auch der Patienten. Ein Zustand, der dringend einer Veränderung bedar!
Ganz ohne Resonanz unter den Betroffenen ist die Sache zum Glück nun doch nicht geblieben. Christiane Schäfer, Oecotrophologin aus Hamburg und Expertin für Lebensmittelallergien und –unverträglichkeiten, schreibt auf ihrer Facebook-Seite (Eintrag vom 08. September): „Es ist mir vollkommen schleierhaft, wieso solche Umstände nicht zu einem Aufschrei führen. Leitlinien und harte Vorgaben, nicht nur in der Gastroenterologie und Onkologie zwingen alle Agierenden zur Beteiligung der Ernährungstherapie bei vielen Krankheiten! Und dann diese nüchterne, furchtbare Bilanz von Sigrid Hahn und Nicole Tieris Analyse. UNFASSBAR! Man sollte meinen, dass Krankenkassen mehr Interesse an der Gesundheit ihrer Mitglieder haben.“ Ruth Gellert, selbstständige Oecotrophologin mit eigener Praxis in Aschaffenburg, konstatiert darauf resigniert: „Wir haben keine Lobby und mit Verlaub……einen schwachen Berufsverband!“
Auch wenn man Gellerts Ansicht in dieser Härte nicht unbedingt teilen muss: Tatsächlich müssen hier vor allem die Berufsverbände endlich gemeinschaftlich auf die Barrikaden gehen. Die Chance, dies jetzt vor der Wahl zu tun und die Gesundheitspolitik zur Rede zu stellen, wurde zumindest nicht genutzt. Die Verbände können in Zukunft nur etwas erreichen, wenn die Basis dahintersteht. Ohne den Aufstand und die Solidarität der Vielen wird es nicht gehen. Was übrigens doch schon Wenige erreichen können, hat die Petition von zwei Kolleginnen – Birgit Blumenschein und Daniela Kluthe-Neis – Ende vergangenen Jahres gezeigt. Sie dürfte mit 1.300 Unterstützern dazu beigetragen haben, dass die DGE ganz aktuell ihre 10 Regeln für eine gesunde Ernährung geändert hat. Die beiden mussten das ganz ohne Unterstützung der Verbände schaffen.
PS: Da die Veröffentlichung in der ErnährungsUmschau online nur für Abonennten zugänglich ist, hilft vielleicht eine Mail an die Autorin: Prof. Sigrid Hahn sigrid.hahn(at)oe.hs-fulda.de
Foto ( © fotolia) : Detox-Prozess: Dringend erforderlich für das Verhältnis von Ernährungsfachkräften und Kassen
Lieber Friedel,
danke, dass Du das Thema aufgreifst. Es ist ein sehr wichtiges, und ich finde, die Berufsgruppen, die betroffen sind, sollten nun endlich strukturiert beginnen, Ihre Hausaufgaben zu erledigen. Dazu gehört, sich mit den Fakten auseinander zu setzen sowie persönliche Entscheidungen zu treffen.
Fakten: Das, was die gesetzliche Krankenkassen (GKV)bezahlen dürfen, ist ganz klar im SGB V geregelt. 94 % der Ausgaben sind gesetzlich festgeschrieben, 6 % der Ausgaben stehen für Verwaltungs- und Satzungsleistungen zur Verfügung. Über die kann die jeweilige Krankenkasse eigenständig entscheiden.
Eine medizinisch notwendige Leistung, die neu in den Leistungskatalog aufgenommen werden soll, muss den Weg über den gemeinsamen Bundesausschuss gehen.
Der erste Schritt ist gemacht- Ernährungstherapie ist für 2 Indikationen ab dem 1.1.2018 im Leistungskatalog der GKV. Ab dann hat der Patient ein Recht auf Ernährungstherapie.
Nun höre ich schon die ersten Stimmen, dass es viel zu gering bezahlt wird. Dazu kann man im Moment noch keine Aussagen machen, die Verhandlungen finden zurzeit statt und sind vertraulich. Mich persönlich wundert es aber, warum zu wenig
Ärzte, Apotheke, Psychologen und andere Heilberufe ihre sogenannte “Kassenzulassung” behalten. Also kann es ja so schlimm nicht sein.
Persönliche Entscheidung:
Jede in der Ernährungstherapie tätige Person kann für sich entscheiden möchte er im 1. Gesundheitsmarkt arbeiten und sich den Regeln des SGB V anpassen. Oder aber sagt er: Nein- das möchte ich nicht. OK- dann kann er im 2. Gesundheitsmarkt aktiv werden. Dort gibt es keine Einschränkungen und mit guten Konzepten kann man dort ohne Limit Geld verdienen.
Für mich als Bürger und Patient sind die Regelungen des SGB V, die unter anderem auf die Wirtschaftlichkeit, Qualität und Patientensicherheit achten, wichtig.
Fazit: Die Grundlage ist da. Das erste Heilmittel Ernährungstherapie ist da. Wenn wir wollen, dass Ernährungstherapie in unserem GKV System mehr Beachtung findet, dann sollten wir unsere Hausaufgaben machen. Vorgehen nach einheitlichen Modellen wie dem G-NCP, damit wir aussagekräftige Studien bekommen. Kenntnisse im GKV-System erwerben, damit ich die Wege verstehe etc.
Also nicht klagen, sondern auch mal schauen, was erreicht wurde. Das Thema der Möglichkeiten durchs Präventionsgesetz u.v.a.m möchte ich nicht auch noch beginnen. Also: Ärmel aufkrempeln- und für den Patienten und für die Sache aktiv werden. Oder aber weiter Jammern.
Allen eine schöne Woche