Akutell auf dem tellerrand: Ernährungs- und Verbraucherbildung. Anlass ist die Ehrung von zwei ‚Vorkämpferinnen‘ in Sachen Ernährungsbildung & Co. Eine davon – Prof. Ines Heindl – durfte ich vor einiger Zeit interviewen. Die Oecotrophologin kämpft seit mehr als 35 Jahren für die Verankerung von Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schule und Erwachsenenbildung, um den Menschen die Alltagskompetenzen zu vermitteln, die sie zur Bewältigung des modernen Lebens brauchen. Es ist wohl in erster Linie ihrem Einsatz und ihrer Hartnäckigkeit zuzuschreiben, dass Schleswig-Holstein vor fünf Jahren als erstes Bundesland das Fach Verbraucherbildung an allgemeinbildenden Schulen eingeführt hat. Hier ein Auszug aus dem Gespräch, in dem sich die Leiterin des Instituts für Ernährungs- und Verbraucherbildung an der Universität Flensburg über wenig zuverlässige Politiker und die schleppende Umsetzung von Maßnahmen äußert, die durch große Modellversuche längst als gesichert gelten können.
Mühleib: Was waren die größten Hindernisse auf Ihrem Weg?
Heindl: Die größten Hindernisse hat die Bildungspolitik durch die Art und Weise aufgetürmt, wie man dort mit unseren sorgfältig erhobenen Erkenntnissen umgeht. Die Politik hat uns die Unterstützung, die der Transfer der Erkenntnisse braucht, oft verweigert. Die größten Enttäuschungen habe ich erlebt, weil die Bewältigung langfristiger gesellschaftlicher Herausforderungen immer wieder hinter der Umsetzung tagespolitischer Interessen der jeweiligen Koalitionen zurückstehen musste. Für Sonntagsreden sind solche Themen immer gut, im politischen Alltag stehen sie am Rande. Wir sind längst an dem Punkt, an dem vor allem die Politik handeln muss. Wir haben unsere Arbeit getan. Jetzt braucht es eine Veränderung der Rahmenbedingungen. Politiker sind geübt darin, sich zu entziehen, weniger geübt sind sie im Zuhören. Je höher einer steht, desto schneller ist er wieder weg. Ein paar Grußworte – und schon sind sie verschwunden. Sie geben uns meist nicht einmal die Chance, aufzustehen und uns ihnen zuzuwenden. Das ist frustrierend. Ich fühle mich nicht selten wie in einem Hamsterlaufrad. Bei grundlegenden politisch-gesellschaftlichen Entscheidungen fehlt die Konsequenz des Zu-Ende-Denkens. Im Nachhinein bleibt von vielen Gesprächen mit Politikern nicht mehr als das Gefühl einer großen Zeitverschwendung.
Mühleib: Gibt es denn einen Weg an den Politikern vorbei?
Heindl: Nein. Ohne den politischen Willen lassen sich gesellschaftlich wirksame Veränderungen nicht umsetzen. Damit man diese erreicht, muss man die Realität der politischen Kommunikation akzeptieren. Eine politische Partei sagt etwas, die Opposition hält prinzipiell erst einmal dagegen. Die Meinungen wechseln je nach Couleur derer, die ans Ruder kommen. Als Wissenschaftler muss man sein Anliegen immer wieder von Neuem kommunizieren, geduldig bleiben und lernen, mit Rückschlägen zu leben. Ich habe daraus gelernt, mir Verbündete auf der „zweiten Ebene“ zu suchen. Man findet viele hochrangige Beamte in den Bildungs- oder Wissenschaftsministerien, die an Inhalten interessiert sind, mit denen man sachlich diskutieren kann, die besondere Fähigkeiten haben, politisch Machbares zu erkennen und zu transportieren. Das gehört für mich zum Aufbau funktionierender Netzwerke dazu. Ohne die Bildungspolitik als entscheidender Partnerunserer Netzwerke geht es nicht.
Das vollständige Interview kann in der VDOE POSITION, der Zeitschschrift des BerufsVerband Oecotrophologie, nachgelesen werden