„Ist das Talent zum Glücklichsein erlernbar?“ fragt die Welt am Sonntag heute großformatig auf der Titelseite. Wie bitte? Völkermord, Seuchen und Katastrophen stehen vor unserer Tür – und der zweitgrößten deutschen Sonntagszeitung fällt nichts Besseres ein, als uns auf vielen Seiten bei der Suche nach dem kleinen Glück zu helfen? Klar – wer will schon beim gemütlichen Sonntagsbrunch vom Elend der Kurden belästigt werden, Gräuelgeschichten von barbarischen ISIS-Morden lesen oder Ebola-Leichen sehen? Da könnte dem Leser glatt mal das Brötchen im Halse steckenbleiben, und das wollen wir ja nicht – so denkt man vermutlich in der Redaktion. Und in der Tat: zu überwältigend scheinen die Probleme und Bedrohungen. Ratlos und verängstigt kapituliert der einzelne davor – und hofft, dass die Katastrophen bleiben, wo sie derzeit noch sind: Im Fernsehen, weit weg von hier – scheinbar. Noch geht’s uns gold, das lassen wir uns nicht vermiesen.
Ob das auch in Zukunft funktioniert? Als – inzwischen – Volk von Pazifisten begegnen wir den Gräueltaten einer barbarischen Bande von Terroristen mit dem Prinzip Hoffnung, unterlegt von Apellen an die Menschlichkeit. Wenn der Gegner dem, der ihm eine Wange hinhält, kaltlächelnd den Kopf abschlägt – wie weit kommt man dann mit Pazifismus? Was wir sehen sind keine Fakes aus einem Zombiefilm. Das ist die unfassbare Realität. Hinter unserer Ablehnung des Eingreifens in kriegerische Konflikte steht – richtig und verständlich – die immer noch erdrückende Last der deutschen Vergangenheit. Aber auch Angst und Bequemlichkeit als Ergebnis von 70 Jahren Frieden und Wohlstand ohne Krieg. Wer hätte nicht Angst um unsere Kinder, wenn es an die Waffen ginge. ISIS – machtbesessen, fanatisch und grauenhaft brutal – gehört zum Bedrohlichsten, was die Welt seit dem Naziregime erlebt hat. Und vor allem: Sie sind gar nicht weit weg. Sie stehen vor Europas Tür! Beten wir, dass unsere Kinder unsere Unentschlossenheit und Untätigkeit nicht bitter büßen müssen. Und was nun tun? Glücklichsein bei Sonntagsbrunch mit der WamS? Noch geht das – mit Betonung auf dem ‚noch‘. (…ess sei denn, wir blättern weiter, wo uns die WamS – das muss zu ihrer Ehrenrettung gesagt werden – dann doch noch mit all dem Bösen in der Welt konfrontiert.)