Es entbehrt nicht einer gewissen Kuriosität: Der „gesunde“ Menschenverstand gilt nichts mehr. Was zählt, ist nur noch die Wissenschaft; die mit großem Aufwand und hohen Kosten viel zu oft damit beschäftigt wird, Selbstverständlichkeiten „wissenschaftlich“ zu bestätigen: „Gesunder Lebenswandel verlängert das Leben um Jahre“ – so verkündet es uns die Headline einer aktuellen Pressemeldung der Universität Zürich, und so geht es dann weiter im Pressetext: „Länger leben dank Früchten, viel Bewegung, wenig Alkohol und keinen Zigaretten: Dies zeigt eine neue Studie der Sozial- und Präventivmediziner der Universität Zürich, die erstmals Auswirkungen von Verhaltensfaktoren auf die Lebenserwartung in Zahlen fasst.“ Wer raucht, viel trinkt, sich nicht bewegt und sich ungesund ernährt, weist demnach epidemiologisch betrachtet ein 2,5-faches Sterblichkeitsrisiko auf gegenüber jemandem, der auf die Gesundheit achtet. Oder positiv formuliert: „Ein gesunder Lebensstil kann einen zehn Jahre jünger erhalten“, so Erstautorin Eva Martin-Diener.
Ebenfalls selbstverständlich, dennoch in diesem Zusammenhang interessant ist folgende Beobachtung der Schweizer Präventionsforscher: Effekte ungesunder Lebensweise kommen erst im Alter zum Vorschein. Der Körper schafft es über lange Zeit, schädliches Verhalten zu kompensieren. Doch früher oder später ist Zahltag – das Fass kommt zum Überlaufen, Beschwerden und Krankheiten melden sich: Ein ungesunder Lebenswandel hat gemäß Martin vor allem im lettzen lebensdrittel schlimme Folgen: „Während bei den 45- bis 55-Jährigen viel Wein, Zigaretten, ungesunde Ernährung und Bewegungsfaulheit noch kaum Auswirkungen auf die Sterblichkeit zeigen, werden diese bei den 65- bis 75-Jährigen sichtbar: Die Wahrscheinlichkeit, die nächsten zehn Jahre zu erleben ist bei einem 75-jährigen Mann, der keines der vier Risikoverhalten aufweist, mit 67 Prozent genau gleich hoch wie die eines zehn Jahre jüngeren Rauchers, der sich nicht bewegt, sich ungesund ernährt und viel trinkt.“
Traurig ist, dass etwas so selbstverständlich sein kann wie es will – die Menschen weigern sich trotzdem, es zu begreifen. Zumindest weigern sie sich, ihr Verhalten zu ändern – auch wenn sie es begreifen. Die Schweizer wollen diese Studie als Grundlage für ein künftiges landesweites Präventionsprogramm nutzen. Die Resultate sollen in die Prävention und die Gesundheitsberatung in den Arztpraxen einfliessen. Wenn‘s funktioniert, hat diese Studie aus der Serie „überflüssige Wissenschaft“ vielleicht irgendwann doch etwas gebracht. Man soll ja die Hoffnung nie aufgeben.