Nach Jahrzehnten, in denen Fett als Feind unserer Gesundheit verteufelt wurde, wird der Nährstoff Fett im Moment von vielen Seiten rehabilitiert. Das ist dem US-Maganzin TIME in seiner aktuellen Ausgabe sogar eine Titelstory wert, in der man sich allerdings ein bisschen mehr „ Butter bei die Fische“ wünscht: Auf vielen Seiten gibt es jede Menge Allgemeinplätze und wenig wirklich neue Erkenntnisse . Eine Geschichte also zu einem wichtigen Thema – mit enttäuschendem Inhalt. Auch hier zulande hat das Fett eine Lobby, die immer stärker wird. Die Ernährungswissenschaftlerin und Fett-Expertin Ulrike Gonder gehört mit Ihren streitbaren Thesen, die im Kern sicher in die richtige Richtung zeigen, dazu. Auf die Frage, ob der Trend zurück zum Fett das Pendel der Ernährungsdiskussion nun erneut zu stark in eine Richtung ausschlagen lässt, antwortet Sie in einem aktuellen Interview mit dem Ernährungsportal docFood:
“Wenn es um Empfehlungen für die Ernährung geht, hat es immer schon Übertreibungen gegeben, und das wird vermutlich auch so bleiben. Ich wünsche mir, dass man zu einem vernünftigen Mittelmaß kommt. Klar ist allerdings: Diese irrsinnige Verherrlichung der Kohlenhydrate als gesund, die ist einfach von gestern – das kann man nicht mehr machen. Ob aber jetzt jemand 35 oder 45% seiner Kalorien in Formt von Fett isst, ist vollkommen Wurscht. Entscheidend ist, dass die persönliche Energiebilanz und die Fettqualität stimmen. Viele Leute denken, dass man zunimmt, wenn man viel Fett zu sich nimmt. Entscheidend ist jedoch, dass die Kalorienmenge insgesamt den Bedarf nicht übersteigt. Solange das der Fall ist, spielt es überhaupt keine Rolle, ob das Fett jetzt die Hälfte oder ein Drittel der Kalorienmenge ausmacht. Natürlich ist dabei zu empfehlen, fettreiche Lebensmittel mit genügend kalorienarmen Lebensmittel zu kombinieren – mit Gemüse, Salaten, Pilzen, Obst, sodass es eine sättigende Mischung mit geringer Energiedichte wird.
Das ganze Interview kann übrigens hier nachgelesen werden. Für die Beantwortung von Kommentaren und Fragen von Lesern steht Ulrike Gonder übrigens für tellerrand zur Verfügung – ich freue mich auf eine rege Diskussion.
Ulrike Gonder ist Diplom-Oecotrophologin und als freie Wissenschaftsjournalistin, Autorin und Referentin tätig. Ihr Lieblingsthema ist das Fett, dem sie schon viele Artikel und mehrere Bücher gewidmet hat, z. B. „Mehr Fett! Warum wir mehr Fett brauchen, um gesund und schlank zu sein.“
Lieber Herr Worm,
dass sich bei der Ausbildung von Ernährungsberatern in den letzten Jahrzehnten noch nichts bewegt hat, ist schlimm. Dennoch bin ich optimistisch. Das theoretisch Gelernte muss sich am Ende in der Praxis beweisen können. Bei der Arbeit mit Patienten zeigt sich in vielen Fällen, dass die offiziellen Vorgaben nicht anwendbar sind. Schlimmer noch: dass sie die Volksgesundheit eher untergraben als fördern.
Wurde noch vor wenigen Jahren in der Berater-Szene Kritik an den geltenden Richtlinien nur hinter vorgehaltener Hand gehandelt, so ist heute ein offener Umgang zu beobachten. Es ist besonders Ihnen zu verdanken. dass Bewegung in die deutsche Aufklärungs-Szene gekommen ist und Ärzte sowie Berater zunehmend anerkennen, dass die zehn Regeln für eine gesunde Ernährung nicht in Stein gemeißelt sind. ….Und dass sich viele sogar trauen, das öffentlich zu sagen. Na, das ist doch was.
Herzliche Grüße, Mrs
Lieber Herr Mühleib,
Sie schreiben: “Auf vielen Seiten gibt es jede Menge Allgemeinplätze und wenig wirklich neue Erkenntnisse. Eine Geschichte also zu einem wichtigen Thema – mit enttäuschendem Inhalt.”
Ich fürchte, dass Sie zu der Minderheit gehören, die über bereits die berichteten Inhalte Bescheid wissen. Für die meisten ErnährungsberaterInnen dürfte der Inhalt des TIME-Artikels völliges Neuland sein, denn in der Ausbildung an Unis und Fortbildungsinstitutionen wird der ganze, längst widerlegte Käse immer noch und immer wieder aufgetischt. Insofern habe ich den TIME-Beitrag sehr begrüßt, denn er hat deutsche Medien aufgerüttelt und dazu gebracht, das Trauerspiel um die ach so bösen tierischen Fette, das die Ernährungslehre 40 Jahre lang entscheidend geprägt hat, wenigsten einmal kurz zu beleuchten.
Übrigens – Gratulation! Die Podiumsdiskussion gestern beim DGEM/VDOE-Kongress haben sie bestens dirigiert! 🙂
Grüße,
Nicolai Worm