Diese Woche geistert wieder einmal eine Meldung zu Nahrungsergänzungsmitteln durch die Presse. Stellvertretend sei die Welt zitiert, die titelt: „Multivitaminpräparate sollen Krebsrisiko senken“ und dazu einleitend schreibt: „Sind Nahrungsergänzungsmittel wie Vitaminpräparate doch nicht überflüssig wie Experten seit Jahren behaupten? Die Ergebnisse einer groß angelegten US-Studie scheinen Kritiker jetzt zu widerlegen.“ Dazu muss nicht viel mehr gesagt werden, als das, was Prof. Bernhard Watzl gestern in einem Diskussionsstatement während des Presseseminars der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unter dem Titel „Was bringen Nahrungsergänzungsmittel?“ in Hamburg festgestellt hat:
„Was macht gute Ernährung aus? Uns allen sollte bewusst sein, dass sich gesunde Ernährung nicht auf einzelne Stoffe reduzieren lässt. Wir haben eine Generation von Menschen in dem Verständnis erzogen, dass Vitamine und andere Mikronährstoffe die maßgeblichen Komponenten sind, die entscheidend dafür sind, ob wir uns über die Ernährung gesund halten bzw. das Krankheitsrisiko langfristig gering halten oder reduzieren. Hier muss die Wissenschaft – und dazu braucht sie die Hilfe der Medien – der Öffentlichkeit klar machen, dass diese Erkenntnis heute nicht mehr haltbar ist. Wir müssen die Menschen weg von dieser Vorstellung erziehen, weg von der engen Fokusierung auf Mikronährstoffe und weg von dem Glauben, dass die Supplementierung einen gesundheitlichen Nutzen darstellt. Wir müssen sie dazu bringen, dass sie verstehen, dass es allein die Komplexität wenig verarbeiteter Lebensmittel ist, vor allem die Komplexität von Obst und Gemüse, die Krankheitsrisiken wirklich massiv beeinflussen kann. Wir haben Evidenz dafür, dass es ausschließlich über diese Ebene der Lebensmittel die Möglichkeit gibt, Krankheitsrisiken zu vermindern. Letztlich läuft es auf den bekannten Punkt hinaus: Ernährungsverhalten und Lebensstil müssen geändert werden. Nur wenn das erreicht wird – Veränderung des Ernährungsverhalten in Kombination mit der körperlichen Aktivität – kann ich die Gesundheitsrisiken massiv beeinflussen. Das Dilemma ist: Viele Verbraucher wollen das nicht – und die derzeitigen Lebensstile erleichtern das nicht.
Von wissenschaftlicher Seite jedenfalls ist klar – mit Evidenz: Nahrungsergänzungsmittel bringen nicht den erhofften Nutzen. Deshalb ist es jetzt unsere Aufgabe, das Wissen über das, was mit Evidenz Nutzen bringt, zu vermitteln. Das ist schwer. Es ist eine große gesellschaftliche Aufgabe, auch eine politische Aufgabe hinsichtlich der Notwendigkeit von Präventionsprogrammen. In dieser Richtung müssen wir aktiv werden. Von wissenschaftlicher Seite kann man die Nahrungsergänzungsmittel jedenfalls Fall abhaken: Sie sind nicht relevant für die Reduktion von Krankheitsrisiken.”
Prof. Dr. Bernhard Watzl ist Leiter des Institutes für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Max Rubner-Institut im Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe.