Das war leider kein Aprilscherz: Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, will Arbeitslose als Ernährungsberater beschäftigen. Müller gehört zu den Protagonisten der Idee, Hartz IV durch einen Staatsdienst für Arbeitslose zu ersetzen, getragen von einem solidarischen Grundeinkommen. Er versteht darunter Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor, in dem ein Mindestlohn von derzeit € 8.84 je Stunde gezahlt wird. Als Beispiel für mögliche geförderte Tätigkeiten werden Hausmeistertätigkeiten, Babysitting, Betreuung von Älteren, Einkaufsdienste für Behinderte, Flüchtlingshilfe genannt und – man höre und staune: E r n ä h r u n g s b e r a t u n g.
Richtig verstanden – das hat er wohl tatsächlich so gesagt! Wenn es nach Müller ginge, könnten Arbeitslose also prima Ernährungsberatung machen. Ist das nur die lächerliche Schnapsidee eines inkompetenten Politikers oder ist es doch ärgerlich? Es ist noch schlimmer! Man muss sich darüber aufregen und empören. Wenn sich ein Spitzenpolitiker (.. der wissen muss, was er sagt und dafür dann auch verantwortlich ist) so komplett unqualifiziert äußert, muss das alle professionellen und qualifizierten Ernährungsfachkräfte auf die Barrikaden bringen. Das fordert einen #AufschreiErnaehrungsberatung heraus. Müller wusste übrigens ganz sicher, was er da von sich gibt, denn für seine Äußerungen gab es eine Vorlage. Basis für seine Äußerungen war wohl eine aktuelle Kurzanalyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zum solidarischen Grundeinkommen, in dem die Ernährungsberatung im selben Atemzug mit anderen Hilfstätigkeiten wie Babysitting und Einkaufen für Ältere genannt wird.
Wenn Spitzenpolitiker wie Müller und der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Jürgen Schupp vom Sozio-oekonomischen Panel des DIW Ernährungsberatung auf eine Stufe mit Handlangertätigkeiten und Hilfsarbeiten für Ungelernte stellen, wird daran erschreckend deutlich, welcher Wert der Ernährungsberatung im öffentlichen bzw. gesellschaftlichen Ansehen beigemessen wird. Wie kann der Bürgermeister der größten deutschen Kommune (richtiger wäre: des Landes Berlin), in deren Schulen sich mehr adipöse Kindern als irgendwo sonst zum Unterricht schleppen, auf die abstruse Idee kommen, Ernährungsberatung als Beschäftigungstherapie für Langzeitarbeitslose zu diskutieren?
Hier rächt sich zudem die Tatsache, dass Ernährungsberatung bis heute keine geschützte Berufsbezeichnung ist, mit der absurden Folge, dass im Grunde z.B. auch ein ungelernter Langzeitarbeitsloser tatsächlich ungestraft als Ernährungsberater auftreten könnte. Tatsächlich braucht es für qualifizierte Ernährungsberatung entweder die Grundlage eines akademischen Studiums ( wie bei den zum Ernährungsberater zertifizierten Oecotrophologen) oder die dreijährige Ausbildung eines nichtärztlichen Heilberufs (Diätassistenten). Jenseits solcher Formalien ist mit dem Vorschlag, falls er größere Verbreitung findet, ein desaströser Imageschaden für die qualifizierte Ernährungsberatung verbunden, der zu dem Vorurteil führt: „Ernährungsberatung? Kann doch jeder!“ Vom möglichen wirtschaftlichen Schaden ganz zu schweigen: Der Vorschlag entwertet die Arbeit von Ernährungsfachkräften. Mit ihm senken Müller und Genossen den Wert einer Stunde Ernährungsberatung im öffentlichen Ansehen auf den Mindestlohn von € 8,84.
Ernährungsfachkräfte waren schon immer zu geduldig, um ihre Interessen offensiv zu vertreten und für ihren Berufsstand zu kämpfen. Damit sollte spätestens jetzt Schluss sein. Gefragt sind hier an erster Stelle die Berufs- und Fachverbände. Schließlich ist der größte Teil ihrer Mitglieder beruflich im Bereich der qualifizierten Ernährungsberatung tätig. Im Sinne ihrer Mitglieder Position zu beziehen und deren berechtigte Interessen wirkungsvoll öffentlich einzufordern und zu vertreten gehört schließlich zu ihren zentralen Aufgaben. Wer übrigens nicht so lange warten will, bis die Verbände sich regen, kann sich auch schon mal in Eigenregie bitter beschweren. Der-Regierende-Buergermeister@senatskanzlei.berlin.de ist die richtige E-Mail Adresse dafür. Zudem könnte man seinem Ärger auch unter dem Hashtag #AufschreiErnaehrungsberatung Luft machen.
Ich habe diesen Gedanken bereits bei Facebook geäußert: Bieten wir dem Herrn eine qualifizierte Ernährungsberatung mit Interpretation der Laborwerte, intensiver Anamnese, also mit all dem,was eine qualifizierte Ernährungsberatung ausmacht, an. Wenn es kein Ernährungsproblem gibt, dann bekommt er präventiv eine Analyse seines Ernährungsprotokolls. Dieser Gedanke darf gerne weiter gesponnen werden, denn jetzt muss ich eine qualifizierte Ernährungsberatung für einen “Normalo-Klienten” (das ist nicht despektierlich gemeint) durchführen.
Hallo Herr Muehleib,
vielen Dank für Ihre Achtsamkeit.
Was soll einem Ernährungsberater mit fundierterAusbildung da noch einfallen?
Ich bin immer noch sprachlos und sauer. Aber schreiben klappt 😉
Also gesagt getan, E-Mail an diesen Spitzenpolitiker verschickt. Vielleicht wusste er es nicht besser, wurde schlecht beraten, oder folgt einfach der Mehrheit: Ernährungsberatung kann doch jede/jeder, oder nicht?
Es schreit danach, den Begriff “Ernährungsberatung” endlich zu schützen, um – wie in diesem Fall – unsinnige “Irritationen” zu vermeiden. Oder schaffen wir demnächst den Studiengang der Ökotrophologie ab? Weil jeder Arbeitslose zukünftig für Mindestlohn mehr Rat geben kann als ein studierter Fachberater? Schon jetzt maßen sich Viele an, “Bescheid” zu wissen in Sachen Ernährung, ohne je Hintergrundinformationen recherchiert oder verstanden zu haben.
Würde Ernährungsberatung wirklich ernst genommen, vernünftig angeboten und somit auch von Verbrauchern stärker nachgefragt werden, könnten die ernährungs(mit)bedingten Krankheiten in erheblichen Maß verbessert, gemindert und vorgebeugt werden. Viele Millionen Euro an Arztrechnungen könnten eingespart werden. Ernährungsberatung sollte/könnte/will konsequent in das Gesundheitssystem inkludiert werden.
Für umsetzbare, innovative und finanzkräftige Konzepte gibt es genug kluge Köpfe, die wirklich Ahnung davon haben!
Wer würde seine Haare von EInem schneiden lassen, der eine SChere in der Hand halten kann?
Wer würde sein Auto von jemandem reparieren lassen, der weder das Auto untersucht, noch Fragen stellt, noch qualifiziert dazu ist?
Wer glaubt heute ernsthaft noch, dass es DIE gesunde Ernährung für JEDERMANN gibt und dass wir alle gleich sind?
Und wer, dass Menschen hierzulande ein Problem damit haben, nicht genug Ernährungswissen zu haben?
MIttlerweile habe ich mehr mit den Folgen dieser ach so einfachen Ernährungsberatung zu tun und berate total vermurkste Menschen, die genau DURCH solche Leute Schaden an Leib und Seele bekommen haben! Durch ERnährungskampagnen und Ernährungspyramiden ausgelöstes gestörtes Essverhalten, durch FALSCHE Diagnosen (Laktoseunverträglichkeit übersehene SCHWERWIEGENDEN ERkrankungen!), durch Laienberater vollkommen pulverisierte Selbstregulation bei Menschen!!!!
Wann hört dieser Unsinn endlich auf? Und wann TUT unser Verband endlich etwas?
Wie sagte Einstein so treffend: Es gibt nur eine einzige Unendlichkeit. Die unendliche Dummheit der Menschen und was dieser Herr hier von sich gibt ist unterirdisch!
Meine Mail an Herrn Müller ist geschrieben. Ich werde, wenn nichts darauf kommt, einen Fernsehsender suchen, der das öffentlich macht, was da gründlich schief läuft…UM DER MENSCHEN GESUNDHEIT wegen…
Wer Wasser kochen kann, kann auch etwas zu Ernährung sagen und schreiben!
So, …oder so ähnlich ist der Umgang heute.
Ein System, welches dem Thema Ernährung zwar eine tragende Rolle zuspielt, dann aber von Lobbyisten und betriebswirtschaftlichen Aspekten den Vorang einräumt .
Mediziner, die mal eben Ernährung mit beraten. Und einer Gesellschaft, die Menschen füttert, die vorrangig darauf schauen, was NICHT in die ERN soll, anstatt danach ob NS Bilanzen und Lifestyle zusammenpassen. Ja, Hirn vom Himmel wäre nicht schlecht….
Wo ist das Wertesystem, ..wo sind die MACHER, die Frontleute, die ein Paket schnüren, welches so massiven Fehler klar nennt und angeht und auch ggf. Juristisch hinterfragt. Auch um diese desaströsen Tendenzen zu unterbinden?
Klar sind Verbände gefordert, aber so ein Unsinn geht alle an. Und jeder selbstständige Ernährungstherapeut mit einer fundierten Grundausbildung wird hier zu Grabe getragen. Meine Mail an den Müller ist geschrieben.
Der letzte Hinterweltler sollte doch mitbekommen haben was gesund ist und was nicht. Da braucht man doch keine “Ernährungsberater”, zumal die meisten dieser “Spezialisten” ja immer noch verbreiten, der Mensch braucht Fleisch und Milchprodukte (beides macht krank) um überleben zu können, da wäre ich schon längst weg vom Fenster und jetzt noch der Blödsinn mit den Arbeitslosen. Herr lass Hirn regnen!
…….hoffentlich wird dieser Unsinn nicht noch auf weiteren Ebenen kommentiert und so verbreitet. Das wäre geeignet für eine Commedystory !
Ich muss jetzt mal ganz blöd nachfragen: wo sollen wir denn den #aufschreiernaehrungsberatung platzieren, damit wir uns nicht wieder nur gegenseitig bedauern und intern jammern? So skurril und empörend der Anlass ist, ich stelle dabei fest, dass ich in der Welt der hashtags so gar nicht zu Hause bin und keine Ahnung habe, wie wir da schnell und öffentlichkeitswirksam aktiv werden. Und ich wette, tausende anderen empörten Kolleginnen geht das genauso. Also: bitte einen (weiteren neben der Mail an die Senatskanzlei) konkreten Handlungsvorschlag!
Was Hashtags sind und wie sie funktionieren, wird ganz gut bei Wikipedia erklärt (siehe unter https://bit.ly/2IpSNDT) . Im Laufe des Tages haben schon eine ganze Reihe von Kolleg(inn)en bei Twitter unter dem Hashtag #AufschreiErnährungsberatung ( https://bit.ly/2EhMujh) ihre Kritik bekundet. Das kann man auch lesen, wenn man keinen Account bei Twitter hat. Einen solche Account braucht man allerdings,wenn man selbst etwas unter dem Hashtag posten möchte. Kolleg(inn)en, die in den sozialen Medien nicht unterwegs sind, bleibt vor allem der Weg, ihre Verbände aufzufordern, in der Sache aktiv zu werden.
Ach herrje das ist so absurd und eigentlich nur traurig…wozu habe ich studiert? Promoviert? Was soll denn sowas? Wir sind genauso ausgebildet wie Ärzte und haben keine Anerkennung…Dass wir jetzt durch Langzeitarbeitslose ersetzt werden sollen ist echt der Hammer…
Ich bin dabei #aufschreiernaehrungsberatung
Solange sich jeder Hinz und Kunz sErnährungsberater nennen kann und seine Philosophie unter der Bevölkerung verbreiten kann, können wir uns auf den Kopf stellen und es wird sich nichts ändern.
Ich bin inzwischen aus meinem Berufsverband ausgetreten. Er hat mich nicht weiter gebracht!
Solange die „Damen“ es nicht für notwendig erachten ihren Mund aufzumachen und sich zu wehren ist alles umsonst!!!
Da sieht man mal wieder, welchen Stellenwert “Ernährungsberatung” hat.
Ein Begriff der inflationär genutzt wird. Denn “JEDER” macht ja “Ernährungsberatung”:
Der Physiotherapeut, der Heilpraktiker, der Büroangestellte (über Juice Plus und Co.), usw. (und natürlich auch die weiblichen Formen ;-)).
Zwei erschreckende Beispiele aus der Praxis:
(1) Eine Stadtverwaltung bucht einen Vortrag über “gesunde Ernährung” im Rahmen eines Gesundheitstages. Der Referent ist ein Maschinenschlosser, der ein Zertifikat zur “Paläo-Ernährung” hat (???).
(2) Ich bin zu einem Vortrag bei einer Firma geladen. Die Ehefrau des Geschäftsführers begrüßt mich mit den Worten: “Hallo ich bin… und Ernährungscoach”. bei Nachfrage erzählt Sie, Sie habe eine Trainer B-Lizenz gemacht und ist jetzt für das BGM in der firma zuständig – Ursprungsberuf: Bürokauffrau
Passt doch wunderbar in das Bild:
Die Botschaft, esst mehr Gemüse und weniger Fleisch reicht doch schon aus um qualifizierte Beratung zu machen. Und das kann doch wohl JEDER. Was soll daran so schwer sein… 😉
Viele Grüße vom Niederrhein!
Absolut erschreckend! Aber auch ich kenne genügend solcher Beispiele aus der Praxis…einfach nur unfassbar…